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Einblick |
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Sorgenkind: Deutsche Sprache |
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Die tiefe Sorge um unsere deutsche Sprache Goethe sagt, die
Seele eines Volkes lebe in seiner Sprache. Und gleich am Beginn dieser
CN-Ausgabe zitieren wir zum selben Thema Ernst Moritz Arndt. Paris kommt
inzwischen sehr gut ohne englische, bzw. amerikanische Bezeichnungen
aus. In Deutschland sind wir davon noch weit entfernt, und es ist
hierzulande auch kein Politiker in Sicht, der französisches Format
besäße. Doch immerhin bleibt besonders dummes Gerede, wie unlängst
das des Baden-württembergischen Ministerpräsidenten, nicht ganz
unwidersprochen. Nun kann man
sagen, der Unterschied zwischen unserer Situation und jener der
Franzosen ergebe sich schon dadurch, daß Englisch eine dem Deutschen
eng verwandte germanische Sprache ist. Arnold Wadler nannte es einmal:
„verderbtes Plattdeutsch“, was natürlich nur als Fingerzeig in
eine Richtung verstanden werden wollte. Aber schauen wir uns an, woher
das Englische kommt, d.h., wer die Angelsachsen sind. Sie stammen aus
dem sächsischen und norddeutschen Raum. Als Attila nach Westen
marschierte, ergriffen einige Germanenstämme oder Teile von solchen
die Flucht auf die Insel. Aus ihnen wurden die Angelsachsen. Wie eng die
Sprachen noch immer beisammen liegen, zeigt schon ein kleines
Beispiel: Die Angelsachsen verfügten zunächst über kein vollständiges
lateinisches Alphabet. So verfügten sie über kein Z. Ersatzweise
setzten sie dafür ein T. Durch die Schriftsprache entwickelte sich so
aus Worten wie, zehn, ten, aus Netz, net, aus Zelt, tent usw., solche
Beispiele gibt es in großer Anzahl. Durch die
normannischen Eroberer, und noch mehr durch die Kirche, wurden dann
einige Lateinismen in das Englische eingemengt, was die Sprache aber
nicht grundlegend veränderte. Englisch ist dem Deutschen somit eng
verwandt, es ist ein Ableger der ursprünglich gemeinsamen frühgermanischen
Sprache. Aufgrund der sich
in England und ganz Britannien entwickelnden Lebensweise, die auf
Seefahrt und Eroberertum ausgerichtet war, kam es zu vielen
Vereinfachungen der Sprache, Ecken und Kanten wurden sozusagen
abgeschliffen, um schnelle Zurufe auf See usw. leicht zu machen. Das
merken wir, wenn wir einmal übermüdet sind: Englisch spricht sich
leichter. Aber: dafür hat es auch vieles verloren. Betrachten wir
einfach die Klangfarben. Vergleichen wir das klangvolle deutsche Wort
„Schauraum“, so muß es wehtun, wenn die gegen das stumpfe
englische „showroom“ ausgetauscht wird; oder das deutsche Wort
„Fotomodell“ gegen das geradezu häßlich klingende „Model“
(gesprochen: Moddl). Der Verlust der Klangschönheit ist einer der
Preise der für eine Vereinfachung gezahlt wurde, die ausschließlich
auf Sachliches ausgerichtet ist, dem Geistigen und Künstlerischen
aber unendlich fern steht. Trotzdem übernehmen
die Deutschen englische Bezeichnungen in geradezu widersinniger Weise.
Während nämlich das Deutsche meist Worte kreiert, die zu Begriffen
werden, kennt das Englische meist nur sterile Beschreibungen. Wo wir im
Deutschen den eigenen Begriff „Schminke“ kennen, bietet das
Englische keinen Begriff, sondern nur eine Beschreibung: „make
up“, die nicht spezifisch ist. Ähnlich bei der Ersatzbeschreibung für
die deutschen Begriffe, „Freilufttheater“ und „Freilichtbühne“
– das Englisch kennt nur „open air“. Und so könnten wir leicht
stundenlang fortfahren. Sprache ist
Denken. Die Sprache ist das unersetzliche Werkzeug des Denkens. Je
mehr Worte sie hat – und je mehr eigenständige Begriffe, die in den
Gedanken Bilder hervorrufen – umso höher ist die Stufe des Denkens.
Das Englische hat zahlreiche Synonyme, aber wenige Begriffe. Diese
Sprache hat sich eben auch in eine andere Zielrichtung entwickelt, und
darin bewährte sie sich, mit ihr wurde das britische Kolonialreich
geschaffen wie auch die USA. Auch technisch-zivilisatorische
Leistungen wurden in hohem Ausmaß durch das Englisch vollbracht. Doch
eine Sprache der „Dichter und Denker“ konnte es nicht werden, von
dort kam kein Mozart. Sprache ist
Denken, das bedeutet
auch, daß der Mensch die Wesensart der Sprache annimmt, in der er
lebt. Das kann jeder an sich selbst beobachten, der für längere Zeit
in einem anderen Land lebt, dessen Sprache spricht und denkt. Man
nimmt die andere Wesensart an, ob man will oder nicht, das bewirkt der
Umgang mit der Sprache. Wenn wir
heutzutage „Englisch“ sagen, meinen wir ja zumeist Amerikanisch;
und der Unterschied ist nicht bloß hinsichtlich der Rechtschreibung
erheblich. Amerikanisch ist härter als Englisch, aber auch
geradliniger. Wenn wir in diesem Aufsatz deshalb von Angelsächsisch
sprechen, tun wir sicher am besten. Trotz aller
Verwandtschaft ist die Mentalität des Angelsächsischen eine ganz
andere als die des Deutschen. Auch dazu einfache Beispiele, wie Angelsächsische
Mentalität, die nicht zu uns paßt übernommen wird. Es ist ja nicht
allein das stumpfsinnige Übernehmen angelsächsischer Worte, durch wörtliche
Übersetzung wird auch Mentalität übernommen. Im Englischen gibt es
die Redensart: „not really“, ins Deutsche übernommen als:
„nicht wirklich“. Ja, was denn nun? Christus lehrt: „Deine Rede
sei: Ja, ja oder nein, nein.“ Das paßt zu: deutsch sein heißt klar
sein. Das angelsächsische „nicht wirklich“ klingt für die
deutsche Wesensart (ebenso für die französische, italienische,
russische usw.) in sich wie eine Lüge, die es auch enthält, hier
soll unklar gesprochen werden; es ist „clever“ – denn dies ist
ein Wort, das unübersetzbar ins Angelsächsische gehört. Aber auch
Rohheiten schlimmer Art werden übertragen, etwa: „Sex machen“,
„Filme machen“ oder auch, „anmachen“. Besonders dumm: „Sinn
machen“. Etwas kann sich ergeben, etwas kann Sinn haben usw. –
aber „machen“ läßt sich Sinn nicht! Im Angelsächsischen
ist make/making in ganz typischer Weise so häufig verwendet. Das
„Machen“ ist für die Eroberermentaliät von höchster
Wichtigkeit. Was nicht machbar ist, womöglich nur schöngeistigen
Wert hat, wird als unerheblich gewertet. Auch was nicht materieller
Natur ist verbindet diese Sprache daher mit dem als wichtiger
erachteten „machen“ (making love). Es heißt also,
gegen die angelsächsische Sprache an zwei Fronten abzuwehren: Zum
einen gegen Angelsächsische Worte – zum anderen aber auch gegen ins
Deutsche übertragene angelsächsische Ausdrucksweisen. Nun, zu diesem
Themenkreis wäre noch viel zu sagen, dicke Bücher ließen sich damit
füllen, von den linguistischen Ursprüngen bis zur albernsten
Marotte. Der große
Unterschied zwischen Altgriechisch und Latein einerseits, zwei
Sprachen, denen wir viel zu verdanken haben, und Angelsächsisch
andererseits ist einfach der, daß Griechisch und Lateinisch sich in
hohem Grade durch Kulturleistungen durchgesetzt hatten – das Angelsächsische
aber vor allem durch militärische Gewalt und wirtschaftliche Stärke.
Die oft geäußerte
Meinung, die Deutschen benutzten aufgrund von Minderwertigkeitsgefühlen
nach zwei verlorenen Weltkriegen so gerne die angelsächsische
Sprache, ist wahrscheinlich falsch; sie tun es, weil die Geschichte
sie gelehrt hat, daß man in dieser rohen Welt „clever“
besser vorankommt als
idealistisch – natürlich nur wirtschaftlich gesehen, nicht geistig,
nicht schöpferisch. Die Frage, die
wir hier besprechen, ist also im Kern: wo wollen wir hin? Wollen wir
unsere ureigenen Stärken wieder emporragen, das Volk der Dichter und
Denker sein, das immer noch in uns lebt? Oder wollen wir bloß gute
Geschäfte machen? Otto von Habsburg
wurde vor einigen Jahren gefragt, was er jungen Menschen an erster
Stelle sagen würde. Er antwortete: „Haltet eure deutsche Sprache
rein!“
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