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Einblick |
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Requiem und Auferstehung |
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Requiem und Auferstehung – das Ende
aller Furcht
Über die größten Werke der Musik gehen die Meinungen – oder vielleicht besser: die Empfindungen – auseinander; für den Schreiber dieser Zeilen ist Mozarts Requiem das größte. Warum? Nicht wegen des religiösen Motivs. Das hat möglicherweise nicht einmal Wolfgang Amadeus Mozart dabei im Vordergrund gesehen – oder: empfunden – vielleicht wenigstens nicht nach herkömmlichem Verständnis. Dabei wird mitunter nicht ganz zu Unrecht gesagt, dieses Requiem habe Mozart für sich selber geschrieben, denn es war sein letztes Werk, er komponierte es sterbend. Jetzt ließe sich viel über Musik sprechen, darüber, ob nicht doch Johann Sebastian Buch die größten Musikwerke geschaffen habe, oder Ludwig van Beethoven, oder Richard Wagner. Das soll jetzt und hier nicht der entscheidende Punkt sein, dieser ist vielmehr: Mozart gab uns mit seinem Requiem ein Zeugnis der Überwindung aller Furcht und jeder Angst. Das wird spürbar, ganz unmittelbar. Furcht und Angst, das sind die Drohmittel des Schicksals, einmal leicht pathetisch gesprochen; und sie sind gleichsam die übelsten Waffen der Finsternis: Die Angst, die vage ist, nicht konkret begründet; und die Furcht, die einen bekannten Anlaß hat. Das eine wie das andere führt zur Beeinträchtigung der Persönlichkeit. Dabei sind Angst und Furcht vollkommen unnötig. Vorsicht gegenüber Gefahren ist ganz etwas anderes, als Angst vor ihnen zu haben, Bedachtheit ist etwas ganz anderes, als furcht vor dem Leben zu haben. Darum: Sein wir furchtlos und haben wir keine Angst! Beides nützt nämlich nichts, was kommt, das kommt. Vorsicht und Bedachtsamkeit, ja – Angst und Furcht – nein! Was mag uns - nur beispielsweise gesagt - morgen begegnen? Gutes, Übles? Oder überhaupt nichts, was in dieser Hinsicht bemerkenswert wäre? Wir bestimmen das weitgehend selbst. Dies natürlich nicht in allen Einzelheiten, aber gewissermaßen die Richtung, aus der etwas kommt; denn die Regel der Affinität von Schwingungen ist immerzu und in allem wirksam. Und das ist ja nicht einmal etwas Besonderes, die Spruchweisheit sagt es auch, wo es heißt: „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus". Das ist freilich nur ein Teil vom Ganzen, aber anschaulich von der Volksklugheit ausgedrückt. Angst und Furcht entsprechen Schwingungen der Unsicherheit. Sogar ein bissiger Hund spürt die Furcht des Ängstlichen, diesen greift er viel eher an als den Furchtlosen. Im Kern all dessen hat Angst ja meistens Wurzeln in der Form eigener Unsicherheit. Und warum sollten wir unserer unsicher sein? Unsicher wird nur derjenige zwangsläufig, der etwas anderes sein möchte als das, was er von Natur aus ist. So viele Faktoren da auch zusammenwirken, sind die maßgeblichen doch immer nur wenige, und stets die gleichen. Sie werden jetzt vielleicht denken: „Was hat ein bissiger Hund mit Mozarts Requiem zu schaffen?!" Gar nichts, das stimmt – bis auf ein Geringes: Die Frage der Angst. Denn diese gipfelt, ganz natürlicher Weise, in der Furcht vor dem Sterben. Unser Leben zu erhalten, das ist die wichtigste Aufgabe, die wir auf dieser Welt haben, denn bloß wenn wir leben, können wir hier auch wirken. Die Furcht vor dem Sterben ist dennoch überflüssig – für denjenigen Menschen, der weiß, wie es nachher ja weitergeht! Und das ist es, was Mozart uns durch sein wunderbares Requiem mitteilt: Sterben ist zugleich Auferstehung! Denn es gibt ja keinen Tod. Jetzt aber, da wir in dieser Welt leben, Aufgaben erfüllen, uns auch mit gutem Recht gern eine Freude erfüllen, jetzt hilft uns das beruhigende Gefühl – diese Glaubensgewißheit: Niemals werden wir verlöschen, nie unser Ich-Bewußsein verlieren, auch nicht drüben, in der nächsten Welt. Genau das sagt Mozarts Requiem aus – erschütternd und gleichsam heroisch – bewußt und klar.
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