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Einblick |
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Neues: Aus Venezuela |
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Aus Venezuela
Mitunter treibt
das Leben sonderbare Spiele: Der alte venezianische Ordo Bucintoro ist
für uns wichtig, und in einem anderen Aufsatz sprachen wir erst
vorhin über Venedig. Was hat das mit Venezuela zu tun? In Grunde gar
nichts, bis auf: Venezuela heißt: Klein Venedig. Und um was geht es
jetzt unter anderem: Um die Frage, was die Vorlageperson zur Vera des
Romans „Z-Plan“ mit ihrem langen Zopf gemacht hat oder auch nicht.
Ein Motiv also, daß - von der Maka’ara-Magie bis zur Figura
Baphomet - in dieser oder jener Form immer wiederkehrt. Zur damaligen
Zeit ahnte der Mann, der das Buch schrieb, noch nicht, wie häufig ihn
solch eine Thematik von ganz anderer Seite noch beschäftigen sollte,
woran er sich erst allmählich gewöhnen mußte, wie zugegeben sei.
Das Schicksal wollte es aber, und es war wohl wirklich kein Zufall, daß
eine Menge magischer Regeln etc. immer wieder zeigen, daß es da einen
größeren Zusammenhang geben dürfte, der wichtig ist – im
Zusammenhang mit dem alten Venedig vielleicht wichtiger als bezüglich
Venezuelas, aber auch der sich hier zeigende Aspekt ist vielleicht
nicht ganz bedeutungslos. Schicksal? Vielleicht hatte Vera ja Recht
wenn sie sagte, daß es ein sinnreiches Schicksal nicht gebe, man
bereitet es sich einfach selbst. Alles, was an diese faszinierende
Frau erinnerte, hat sicher anziehend gewirkt, und also auch die
magischen Damen mit den langen Haaren etc. (wo geschnitten wurde, sah
man erst einmal weg). Allerdings sollte speziell im Hinblick auf die
Frau, um die es hier geht, nochmals gesagt werden, daß die magischen
Zusammenhänge bei ihr sicherlich keine nennenswerte Rolle gespielt
haben. Gewiß wäre sie etwa als eine „Baphometbraut“ ideal
gewesen und hätte in den magischen Belangen viel tun können. Die
Wahrheit ist aber, daß sie dem kaum zugeneigt war. Sie hatte zwar
sehr wohl eine mystische Ader, dergleichen richtete sich bei ihr aber
in erster Linie auf die Heldinnen der nordischen Mythen und der
antiken Literatur. Nun zum
Aktuellen. Um es vorweg zu sagen: Die Reaktion aus Venezuela erfolgte
nicht direkt auf unseren erst seit ein paar Tagen im Netz stehenden
Beitrag „Das Fragezeichenbild“. Einer unserer Freunde in Düsseldorf
machte seinen Bekannten in Caracas darauf aufmerksam, anderenfalls hätte
der alte Herr den Artikel wohl nie zu Gesicht bekommen. So aber ließ
er sich alles Wesentliche ausdrucken und reagierte dann folgendermaßen: Er glaubt mit
hoher Wahrscheinlichkeit, die Frau zu kennen, die wir meinen – aber
diese sei seiner Überzeugung nach nicht die Frau von dem fraglichen
Foto. Dieses sähe der Dame Vera aber so ähnlich, daß man sie für
diese halten könne. Unser Informant hat auch eine Ahnung, wer der
anonyme Zusender sein könnte. Falls er sich nicht irrt, ist diesem
das ähnliche Bild womöglich zugespielt worden (man wird sehen, ob
sich da noch etwas ergibt). Unser neuer
Informant erzählt, er hat die fragliche Dame erstmals 1976 oder 1977
im Jachthafen von Caracas gesehen. Der Name, den sie benutzte, ist in
ihrem alten Umfeld unbekannt. Sie machte einen wohlhabenden Eindruck
und war hochelegant. Damals hatte sie sehr kurze Haare, ziemlich so
wie auf dem Fragezeichenbild. Das sei aufgefallen, weil sie in dem
Umkreis die einzige Dame mit kurzen Haaren war. Sie sei eine außergewöhnlich
schöne Erscheinung gewesen, und darüber hinaus sehr gebildet. Sie
blieb etwa drei Monate und verkehrte viel in den deutschen und
pro-deutschen Kreisen (zu denen auch unser Informant gehört). Sonst
wohnte sie in Maracaibo, sagte sie. Rund zehn Jahre
ließ sie sich nicht wieder sehen. Dann kam sie aber, Weihnachten
1989. Sie wirkte verändert, denn sie hatte jetzt lange Haare. Der
Informant erinnert sich genau, weil gerade der Fall der Mauer in
Berlin und die Wiedervereinigung Deutschlands gefeiert wurde. Die Dame
war gut gestimmt und feierte tüchtig mit: „als ob man eben den
Krieg gewonnen hätte.“ Die Frau hatte inzwischen geheiratet, einen
wesentlich älteren, sehr kultivierten Mann, einen gebürtigen
Belgier, der im Zweiten Weltkrieg bei der Truppe von Leon Degrell gewesen
war. Die Frau habe immer noch sehr jung ausgesehen. Sie konnte oft
lustig und ausgelassen sein (das paßt nicht zu Vera). Sie blieb mit
ihrem Mann dort. Genau wie früher, gab sie sich sehr elegant, ihre
Haare ließ sie immer länger, so daß man sie bald fast nur noch mit
einem Zopf sah. Das allerdings hätte zu ihr gepaßt. Sie sei einfach
sehr schön gewesen und bei allen beliebt, bei den Männern und auch
bei den meisten Frauen. Man hätte über alles mit ihr reden können,
über Politik wie über Opern, über den Zweiten Weltkrieg oder
Literatur, und meist war sie gut gelaunt. Die Frau sagte,
sie komme aus Brügge, aber sie sprach vollkommen akzentfrei Deutsch.
Unser Informant hält sie für eine gebürtige Deutsche. Sie hat es
immer vermieden, über sich viel zu reden. Es sei aber doch zu
bemerken gewesen, daß sie sich
in der Geschichte gut auskannte. Weltanschaulich hätte sie sich mit
dem Kreis der Leute dort sehr gut verstanden (was eine Umschreibung
ist, wie man leicht erraten wird). Sie lebte dort
rund 15 Jahre, auch wenn sie manchmal monatelang fort war, teils mit
ihrem Mann zusammen, teils auch allein. Im Frühjahr 2005 zogen die
beiden dann weg. Sie sagten, nach Europa, vielleicht für ein Jahr.
Der Gatte hätte da etwas zu erledigen. Der Mann ist sehr rüstig,
aber man merke doch deutlich den Altersunterschied, sie sähe aus wie
seine Tochter, sagt der Informant. Ein paar Tage vor der Abreise hat
die Frau sich überraschender Weise ihren Zopf abschneiden lassen,
sehr kurz, man hätte sie kaum wiedererkannt, so wie ganz früher. Sie
hätte damit zwar gut ausgesehen, aber nicht mehr so jugendlich. Man könnte
sich die Frage stellen, ob sie das tat, um ihr Äußeres zu verändern,
meinte der Informant jetzt aufgrund der verschiedenen Schilderungen,
die ihm mittlerweile zu Ohren kamen. Zum Zeitpunkt des Geschehens war
ihm dieser Gedanke jedoch nicht gekommen. Danach hätte sie dann
jedenfalls dem fraglichen Foto wieder sehr ähnlich gesehen, obwohl
sie über die Mitte 40 sein müßte (meint der Informant, doch wenn es
jene Vera wäre, würde sie
über Mitte 50 gewesen sein). Ob die beiden
wirklich nach Europa reisten, ist offen, es könnte sein. Es hieß
aber, sie wollten auf alle Fälle zurückkommen. Die schöne und teure
Wohnung dort besteht auch nach wie vor, so daß man annehmen kann, sie
kehren früher oder später zurück. Sollte dieser Fall eintreten, würde
dieses Rätsel sich wohl von ganz alleine auflösen – wahrscheinlich
ohne eine sensationelle Entdeckung.
Ob die Gattin des
Belgiers tatsächlich Vera J. ist, läßt sich selbstverständlich
nicht sagen. Gehen wir einmal davon aus, sie ist es nicht, denn das
wird sich ggf. vermutlich herausstellen. Vera war zweifellos mitunter
exzentrisch. Auch ohne Geheimbündelei wäre es ihr zuzutrauen, daß
sie alles hinter sich ließ und ein neues Leben schuf. Sie hatte keine
Eltern mehr. An Familie gab es nur den älteren Bruder, zu dem sie ein
ambivalentes Verhältnis hatte. Sie war mit dem Flieger-Umfeld
befreundet, aber mit niemandem liiert. In Südamerika war sie schon
mit ihrem Vater gewesen, der dort Freunde hatte (allerdings wohl vor
allem in Brasilien). Auch mit W.J. ist sie in Rio de Janeiro gewesen.
Romanische Sprachen fielen ihr leicht, und sie ist einigermaßen vermögend
gewesen. Es ist also nichts ausgeschlossen. Das betrifft eben auch die
geheimnisvolle Seite, denn das Vera, wie zuvor ihr Vater, das
Interesse nachforschender Personen genoß (diplomatisch ausgedrückt),
läßt sich kaum vom Tisch wischen. Ob das Papier echt ist, das aus
einer Akte stammen soll, läßt sich nicht mit letzter Gewißheit
sagen, doch könnte es sehr wohl sein. In der Kantine des Düsseldorfer
Polizeipräsidiums am Jürgensplatz konnten auch Außenstehende zu
Mittag essen. Auf diese Weise wurde ein wenig herumspioniert. Der
Mann, der Vera mehrfach behelligte (nicht sie allein, aber sie
besonders, der „Cornelius“ des Romans), dürfte kein gewöhnlicher
Kriminalbeamter gewesen sein, falls er überhaupt einer war. Was genau
er war, blieb im Unklaren. Das
„Fragezeichenfoto“ bewegt sich aber mehr denn je zwischen
Karnevalsscherz und undurchschaubarer Intrige. Daß mit diesem Bild
etwas nicht stimmt, daß es – trotz unleugbarer Ähnlichkeit – höchstwahrscheinlich
nicht die bewußte Vera zeigt, hat der Autor von Z-Plan immer
angenommen. Er fühlt sich darin vorerst bestätigt. Ob sich noch mehr
aus dieser Quelle ergeben wird, muß sich zeigen. Im Grunde ist es
heute nicht mehr wichtig, aber bevor im Freistiel Detektiv gespielt
wird, wollen wir uns lieber selber ein wenig darum kümmern. Mit einem
schlüssigen Resultat rechnen wir nicht und würden das auch nicht für
wünschenswert halten. Über all die
Geheimnistuerei, zu der einige Fakten und Aspekte fraglos einladen,
sollte nicht vergessen werden, daß alles auch ganz einfach so gewesen
sein kann wie es offiziell heißt. Anders als im Roman, soll Vera sich
vor einen Lastwagen geworfen haben. Den unkenntlichen Leichnam
identifizierte ihr Bruder. Dann gab es eine schnelle Feuerbestattung.
Manche meinen, dies sei so organisiert gewesen. Der zufällige Unfall
einer jungen Anhalterin sei ausgenutzt worden, um Vera gänzlich
unauffällig verschwinden zu lassen. Wenn man das alles zusammen näher
betrachtet, kann man zu der Meinung gelangen, es habe sich so
verhalten. Jedenfalls läßt sich das Gegenteil nicht beweisen.
Im
Roman gibt es eine Stelle, die einen wahren Ursprung hat, auch wenn
das betreffende Erlebnis – oder die Einbildung – fast 30 Jahre später
lag und nicht in Düsseldorf, sondern in Starnberg stattfand. Es war
zwischen Nacht und Morgen im Büro, während der Arbeit am Text für
einen Image-Prospekt des Goethe-Instituts. In der Woche zuvor waren
zwei Berliner Freunde zu Besuch gewesen, und das Gespräch war auf
Vera gekommen. Das mag nun nachgewirkt haben. Vermutlich kam es zu
einer Art Sekundenschlaf, den man nicht als Schlaf registriert und
daher auch nicht begreift, geträumt zu haben. So war der Autor von
Z-Plan überzeugt, die leibhaftige Vera J. auf ein paar Sekunden im Türrahmen
gesehen zu haben, zum Anfassen klar und plastisch. Wahrscheinlich ist
es nicht die Wiederverstofflichung einer Verstorbenen à la Julietta
(siehe dazu: Der Julietta-Mythos in Rückblick) gewesen, wie eine
kluge Dame aus Wien meinte, sondern ganz einfach Einbildung. Diese hat
aber stark nachgewirkt, besonders bei einem Mann, der niemals
irgendwelche mystischen Erlebnisse hatte. So oder so – ohne diese
Sekunden wäre das Buch „Z-Plan“ gar nicht begonnen worden.
So
viel also einmal ganz persönlich dazu.
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