Der zeitlose
Augenblick
Absonderliche
Phänomene der Zeit haben wir bei CN bereits mehrfach abgehandelt. Allein
was auf dem Raum des Untersbergs zwischen Berchtesgaden und Salzburg dazu
zu vermelden wäre, würde viele Seiten füllen - und das ganz ohne auf
üblicherweise Bekanntes zurückzugreifen. Denn so sehr vieles davon auch
Hand und Fuß hat, ist doch auch eine Menge hinzuerfunden worden, zumeist
aus rein kommerziellen Gründen. Das aber haben die wirklichen Phänomene
am Untersberg wahrlich nicht nötig! Und gerade die ernstzunehmenden Dinge
finden in den kommerziell ausgerichteten Publikationen meistens kaum
Erwähnung, weil solches nun einmal nicht jedem widerfährt.
Was am
Untersberg geschehen kann - wie es beispielsweise unlängst einige
Mitglieder der Baphometischen Gesellschaft erlebten - das verdient einen
eigenen Platz. Wir werden darüber noch berichten.
Die
Zeitphänomene, von denen wir jetzt sprechen wollen, kommen nicht von
außen. Sie spielen sich in uns selbst ab. Es sind jene Augenblicke unsres
Lebens, die sich festschreiben im Geist, die gegenwärtig bleiben und mehr
als Erinnerungen sind.
Die Grundlage
dazu schafft unser Bewußtsein. Jeder Mensch, der schon einmal eine
ernstliche Gefahrensituation durchstand, weiß, wie viele Gedanken da in
einer einzigen Sekunde möglich sind. Die Zeit scheint unendlich langsam
zu vergehen in solchen Momenten. Überlegungen, für die wir unter
normalen Umständen eine halbe Stunde benötigen würden, gehen in
Gefahrenmomenten blitzschnell. Wir erkennen schneller und genauer als
sonst. So geschieht es etwa, wenn wir in eine lebensgefährliche Situation
mit dem Auto geraten, einen schweren Unfall vor Augen.
Derselbe
Mechanismus ist es, der uns einzelne Momente zeitlos werden läßt. Ein
Moment, in dem wir etwas besonderes erlebten, bleibt in unseren Gedanken
ewige Gegenwart und kann somit durchaus als eine Art Prädestination
angelegt werden. Das betrifft insbesondere Begegnungen und Erscheinungen.
Wir sehen beispielsweise einen Menschen zum ersten Mal - vielleicht sogar
zum einzigen Mal - manchmal nur für einen schnellen Augenblick - und doch
bleibt dieser Augenblick für Jahrzehnte derart in uns gespeichert, daß
wir ihn jederzeit wieder erleben können. Sehr oft ist das das einzige,
was uns davon bleibt - außer dem Gefühl, daß es ein wichtiger,
vielleicht weichenstellender Moment unseres Labens war.
In solch einem
Augenblick kann man sich verliebt haben. Vielleicht im Vorübergehen, ohne
die Chance zu einem persönlichen Kennenlernen - oder weil einem gerade in
dem Moment der nötige Mut fehlte? Vielleicht gab es auch gar keine echte
Gelegenheit. Wie auch immer: das Bild dieses Moments, dieser Augenblick im
beinahe wörtlichen Sinne, wird uns nie wieder verlassen. Ob die mit ihm
verbundene Aussicht sich verwirklichte oder nicht: Der Augenblick bleibt!
Ob bewußt oder unbewußt versuchen wir, sofern er fruchtlos verging, ihn
wiederzufinden. Diesen Augenblick, vielleicht auch einen bestimmten
Menschen, dem wir vermutlich nie wieder begegnen werden. Und - wer weiß -
ob wir da nicht unser Schicksal versäumten? Ohne eigene Schuld, einfach
weil das Leben es nicht wollte.
Viele von uns
kennen zeitlose Augenblicke. Sein sie dieser oder jener Art, wo es ums
Ganze ging - sei’s um leben oder sterben - oder um ein unersetzliches
Glück. Denn solche unvergänglich gegenwärtigen Bilder bilden sich nur,
wo es eben ums Ganze ging! Wer einen zeitlosen Augenblick besitzt, der
kann gewiß sein, an einer großen Wegkreuzung seines Lebens gestanden zu
haben. Ob das namenlose Schicksal ihm dabei wohlgesonnen war - es anders
zu fügen, lag nicht in unserer Macht.
Was aber in
unserer Macht liegt, und zwar immer, das ist, aus dem Geschehen eine Lehre
zu ziehen, die uns weiterführen kann. Denn der zeitlose Augenblick bleibt
ja in uns. Ist das Ereignis auch seit Jahren oder Jahrzehnten vergangen -
der bestimmte Augenblick ist noch da, ist verankert und gibt uns zumindest
ein Muster, welches uns lehrt, was für uns wichtig und richtig ist.