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Bluff und Irrtum

       
     
       
      Bluff und Irrtum (AZP)

„Grande Blamage!" So hörten wir es inwendig schon von weitem rufen, als wir wussten, darlegen zu müssen, daß ausgerechnet ein Schlüsselpunkt unserer Nachforschungen ein Irrtum war: Hereingefallen auf eine Finte, einen Bluff!

Um nicht alles übrige dadurch in Mitleidenschaft zu ziehen, besprechen wir diesen unangenehmen Punkt in einem eigenen Kapitel, welches speziell für das CN-Internet geschrieben wird. In dem neuen Anhang für das Buch muß über diesen Irr- und Umweg nicht viel gesprochen werden, das würde ja nur verwirren und der Sache nicht dienen. Weil im Internet aber schon mehrfach von dem Punkt, welcher die Vorlageperson zur Vera des Romans anbelangt, näher gesprochen wurde, was den guten Grund hatte, daß dieser besonders markant ist, muß hier jetzt gewissermaßen Ordnung geschaffen werden.

Wir können es einfach machen und in knappen Worten schildern, worum es geht:

Die als sicher gewertete Angelegenheit, daß Vera im Oktober 1972 zu ihrem Untertauchen ihr Äußeres veränderte, indem sie sich ihre extrem langen Haare abschneiden ließ, beruhte auf einen Irrtum, oder vielmehr: Wir wurden hereingelegt. So einfach ist das leider.

Bevor wir kurz schildern, wie wir darauf gekommen sind usw. sollte aber die positive Seite dieser Sache beim Namen genannt werden: Daß der angebliche Selbstmord nicht stattfand, sondern eben auch ein Bluff, eine Finte, war, das dürfte jetzt endgültig feststehen. Von Beweisen war da ja auch nie die Rede, ihr Bruder konnte uns viel erzählen, wie es eben gebraucht wurde. Außerdem ergeben sich gerade aus dem erneuten Bluff Schlussfolgerungen, die beachtenswert sind.

Jetzt aber erstmal zu dem, was sich begeben hat und was zu der Entdeckung führte: Im Zuge der kleinen Rundreise durch den amerikanischen Gesamtkontinent, mit besonderem Schwergewicht auf den südlichen Teil, ließen sich, neben anderem, immer wieder Spuren von einer Frau finden, die Vera sein konnte, bzw. hätte gewesen sein können. Trotzdem schien das immer wieder nicht stimmen zu können, weil die Beschreibungen in punkto Haare sehr oft nicht übereinstimmten, sondern geradezu gegenläufig waren. Da konnte also, wie es schien, nicht von derselben Frau die Rede sein. Mal wurde die mit kurzer Frisur beschrieben und mal mit extrem langen Haaren von mehr als zu den Hüften reichender Länge. Jeder hier weiß, daß Vera ihre enormen Haare nie und nimmer unter eine Perücke hätte stecken können. Es musste da also zwei Frauen geben, die sich, bis auf die Haartracht, ähnlich waren und auch Ähnliches unternahmen, sogar ähnliche, wenn nicht sogar gleiche, Kleider trugen usw. und beide zu denselben speziellen Kreisen Verbindung hatten, bzw. gehabt hatten, denn wir sprechen ja jetzt überwiegend von einer relativ weit zurückliegenden Zeit. Also: Das alles war schon höchst sonderbar.

Zum ersten mal wirklich sehr rätselhaft wurde es in Montevideo, bzw. da kam erstmals ein Verdacht auf, der unsinnig zu sein schien, aber trotzdem. Wir trafen uns mit dem Mann, der von einer jungen Frau berichtet hatte, schon früher per Post, nachdem er das Buch gelesen hatte (noch in der frühen A4-Ausgabe), die genau zur passenden Zeit angekommen war, die eigentlich so aussah wie Vera und sich auch so wie sie benahm. Und sie hatte jede Menge ganz auffallend langer Haare. Das aber konnte unserem Informationsstand zufolge nicht sein. Sie müsste sich also eventuell eine lange Perücke angeschafft haben, aber eine so lange gibt es wahrscheinlich gar nicht, und das wäre auch unlogisch. Der Beobachter schwor auch, die enorme Mähne, die ihm imponierte, war auf jeden Fall echt, er hatte die Frau ja mehrmals aus nächster Nähe gesehen. So erkannte er die Vera auch sicher nach Fotos, sowie er auch selber eines von ihr hatte. Die Frau war was ganz Besonderes meinte er, was wohl unbestreitbar wahr ist, wenn das Vera war, wie es ja nun aussah. Es mußte da also etwas nicht stimmen.

In den folgenden Wochen begegnete uns dieses Phänomen aber immer wieder: Da gab es eine Frau – oder zwei Frauen? – die sich ähnlich waren, Ähnliches taten usw. aber nach aller Logik nicht ein und dieselbe Person sein konnten. Und das Gleiche wiederholte sich an mehreren Orten! In Rio de Janeiro wurde es dann extrem rätselhaft, denn da kannte man diese Frau am längsten, schon aus der früheren Zeit, und es gab sie dort immer nur in der altbekannten Form. Was war da los?

Um es kurz zu machen: Da musste etwas ganz anders gelaufen sein, als wir bis dahin fest angenommen hatten. Die theoretische Erklärung, daß Vera sich eine so lange Perücke angeschafft hätte, war in der Praxis wertlos. Besonders S. B. in Rio, der sie ja oft aus nächster Nähe gesehen hatte, schwor auch, es wäre unmöglich eine Perücke gewesen, sondern alles echt, meistens Pferdeschwanz von einem Meter plus etliches, also ganz Vera.

Wir informierten uns noch vor Ort in einem Spezialgeschäft, ob es Perücken von solchen Ausmaßen überhaupt gibt. Nein, bestimmt nicht, hörten wir, höchstes aus Kunststoff, aber das sieht man sehr leicht. Das kriegten wir dann noch in zwei anderen Läden bestätigt, auch in einem in Düsseldorf.

Wenn Vera aber ihre enormen Haare behalten hatte, über die sie keine Perücke ziehen konnte, wer war dann die Frau mit der kurzen Frisur? Die Friseuse aus H. hatte uns sehr glaubhaft berichtet. Sollte das also doch nicht Vera gewesen sein, sondern einfach ein riesiger Zufall? Um der Vollständigkeit willen suchten wir noch die Dame auf, von welcher Vera sich früher zu besonderen Anlässen manchmal eine Art Hochsteckfrisur hatte machen lassen, welche nie lange hielt, trotz aller Anstrengungen. Daran konnte sich auch die Ballfrisurenspezialistin gut erinnern. Sie ist mittlerweile nicht mehr tätig, aber Teilhaberin des Betriebs. Und eine andere, jüngere Frau von diesem Fach, die damals als Assistentin auch schon tätig war und sich ebenfalls an Vera erinnerte, bzw. an ihre unglaublichen Haare, bestätigte dasselbe. Man gab uns ein Foto mit, welches nicht Vera zeigt, aber von hinten eine andere brünette Frau, die eine solche Steckfrisur hat, wie sie auch Vera sich dann machen ließ, wenn es mal feierlich sein sollte. 

Auch hier hörten wir, daß diese Menge an Haaren unmöglich unter eine Perücke gehen könnte, das würde man unbedingt sehen, und halten würde es dann auch nicht. Es konnte also nicht sein.

Also ein unlösbares Rätsel? Fast, aber nur fast! Denn die jüngere der zwei Spezialistinnen erinnerte sich, daß Vera, wenn sie in den Salon kam, also nicht besucht wurde, ihre Haare meist offen hatte, aber einen Mantel darüber gezogen hatte, so daß man nicht sah, wie lang sie waren. Das könnte die einzige Lösung des Rätsels sein, meinte diese schlaue Frau, denn wenn sie den Kragen hochschlägt oder ein Kostüm mit einem stehenden Kragen trägt, könnte sie ihre Haare offen darunter verstecken, bzw. nur ziemlich weit unten zusammengebunden, und dann konnte man eine Perücke darüberstülpen. Das ginge natürlich nicht immer, aber wenn es nötig wäre, für eine Weile ginge es schon. Das musste des Rätsels Lösung sein!

Wenn es sich so verhielt, dann hatte uns unsere Friseuse aber belogen, und zwar gründlich! Wir beschlossen, uns diese nochmals richtig vorzunehmen.

Um es kurz zu machen: So war es! Unsere Friseuse hatte uns angelogen. Die Kundin – also Vera – hatte sie darum gebeten und sicher auch gut dafür bezahlt. Diese Wendung war auch erst im letzten Moment eingetreten, so daß die Friseuse das meiste der Geschichte nicht zu lügen brauchte, weil es sich ja wirklich so zugetragen hatte. Mit dem einzigen entscheidenden Unterschied aber, daß die Kundin (Vera), es sich im letzten Moment anders überlegte. Und das, meint die Friseuse, vielleicht auch nur, weil sie mehrfach nachgefragt hatte, ob es der Kundin wirklich ernst sei, weil es ihrer Meinung nach doch schade wäre. Sie hatte schon mehreren Frauen lange Haare abgeschnitten, wenn auch nicht in solchen Ausmaßen wie bei Vera, und sie machte das nie gern. Doch sie wusste selbstverständlich genau wie das geht und konnte es darum auch glaubwürdig beschreiben. Die Kundin wäre dabei geblieben, daß es ihr ernst sei, und so war es wohl tatsächlich, und wenn sie, die Friseuse, dann nicht noch gezögert hatte, wäre es auch passiert. So aber änderte die Kundin ihren Sinn. Sie erzählte der Friseuse eine rührselige Geschichte, daß sie sich vor einem üblen Kerl verstecken müsste usw. Und so überlegten die beiden, was alternativ zum Schneiden in Frage käme. Endlich kamen sie auf genau den Dreh, den auch schon die andere Friseuse - die für die Ballfrisuren - vermutet hatte. Die Friseuse machte eine Perücke zurecht, denn sie hatte zwei im Geschäft, eine davon in Schwarz. Nach der Bearbeitung sah die Perücke ziemlich so aus, wie Vera eigentlich ihre neue Frisur haben wollte. Vera wollte ja aber nach Südamerika, und da war es zu warm, um bei Bedarf glaubwürdig mit einem Mantel zu kommen, ein Jackenkleid aber ging. Ein Stück von der Extremlänge musste also doch ab, aber nicht viel, denn was dann noch unter der Jacke hervorlugte, stopfte Vera in den Rock. Sie wusste sicher, daß sie diese umständliche Tarnung nie lange benötigte. Zuletzt gefiel Vera sich dann übrigens wirklich sehr gut mit der falschen kurzen Frisur. Es war beinahe eine Freundschaft entstanden, und Vera hat die Friseuse sogar noch manchmal angerufen, zum Schwatzen, angeblich aus München, aber das stimmte natürlich nicht, und damals gab es noch keine Displays, welche die Telefonnummern anzeigen, wobei man das übrigens unterbinden kann. Und auch würden wir nicht mal garantieren, daß die Friseuse nicht noch mehr wusste. Es war aber weiter nichts aus ihr herauszukriegen, und das langte ja. So war das also!

Angeblich hat unsere Friseuse seit Jahren nichts mehr von ihrer angefreundeten Kundin gehört, was stimmen kann, vielleicht aber auch nicht stimmt.

Damit wäre das Rätsel also aufgeklärt! Eigentlich ist es ganz einfach, bloß kommt auf so eine Lösung natürlich kein Mann, da muß man Frauen fragen, solche, die sich mit langen Haaren auskennen.

Montevideo - V

Jetzt – also im nachhinein – fällt uns auch auf, daß sie auf dem Caracas-Foto so etwas wie einen Stehkragen trägt! Es stimmt und passt genau. Wir wollen jetzt nicht in alle Einzelheiten gehen, wie Vera das gemacht hat, denn das würde langweilig, aber es läßt sich genau erklären, wieso man den Trick nicht sieht, bzw. nur dann sehen könnte, wenn man direkt-geradeaus hinter ihr stehen würde.

Wir stellen also fest, bzw. geben es zu: wir haben uns leimen lassen, und zwar gründlich. Das ist vielleicht blamabel, aber kann doch wohl dadurch entschuldigt werden, daß keiner von uns die nötigen sozusagen kosmetischen Erfahrungen hat, um auf solche Ideen zu kommen, es ist auch keine Frau im Umkreis, die frisurmäßig das kennen könnte. Dazu kommt vielleicht auch noch, daß - mit Ausnahme von zwei Personen (unter diesen der Romanautor) – alle die Vera kannten, fanden, daß bei Vera solch ein Haarschnitt schon längst überfällig war und dieser daher als eine logische Sache zu sein schien. Jetzt aber wissen wir: Es war anders!

Was heißt das nun aber im Lichte der Angelegenheit Z-Plan usw.? Doch wohl eine ganze Menge: Vera hat sich eine Tarnung zugelegt, die sie offenbar nicht für längere Zeiträume benötigte, aber immer wieder, wenn nötig, angewendet hat. So gesehen war diese Tarnung sogar genial. Vera konnte immer lavieren, so wie sie es brauchte. Damit ist auch die zeitweilig für sehr unglaubhaft gehaltene Darstellung des zweiten Manns aus Caracas anders zu bewerten. Nach einigen Jahren hat sie die Tarnung dann wohl nicht mehr gebraucht. Oder es war doch durchschaut worden nach mehreren Jahren, und darum konnte es ihr jetzt egal sein, sie musste eben nach allen Seiten aufpassen.

Und jetzt muß auch noch eingeräumt werden, daß die zwei Personen, die nicht an den Haarschnitt geglaubt haben, weil sie denken, Vera täte so was nie, Recht hatten damit. Es ist auch einzusehen, daß man, wenn man der Frau nahestand, nach Möglichkeit nicht über Gebühr von solch einem Punkt hören will (besonders, wenn sowieso von der Magie-Seite her soviel darüber geschrieben werden muß). Hier ist dieser Punkt jetzt also geklärt.

Trotz dieser verblüffenden Erkenntnis ändert sich aber nichts an dem, was sich im Hinblick auf die Z-Plan-Aktivität usw. herauskristallisiert hat. Es ist eben nur, daß wir uns unsere Vera so vorstellen müssen, in der ganzen Zeit, wie sie immer war. Der Roman ist damit bezüglich der Person und ihres Charakters viel glaubwürdiger, als die meisten dachten. Das gilt auf alle Fälle dafür, wie sie selbst sich sah, bzw. sieht. Was ihre Wesensart anbelangt, ist sie aber eben doch die raffinierte Vera, also kein engelsgleiches Wesen. Im großen und ganzen stimmt sie aber wohl doch besser, in den Beschreibungen, als man anfangs meint.

Damit können wir in zukünftigen Darstellungen, so auch in dem Zusatzanhang zur Neuausgabe des Romans, auf ein näheres Eingehen auf diesen Punkt verzichten, obwohl er doch besonders charakteristisch für Vera ist. Sie ist ja aber auch nicht die einzige wichtige Gestalt in alledem, wenn auch eine Schlüsselfigur für vieles, und auch eine Art Drehscheibe für anderes.

(Im Februar 2008 folgt die noch zu komplettierende Fortsetzung des AZP-Hintergründeberichts, welcher im Dezember 2007 begonnen wurde.)

       
               
               
     

       
               
               
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