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Neue Energie

DIE WELT,  15. Febr. 2013

 

Fracking wird geopolitische Schicksalsfrage

Die neue Technologie, die Erdgas aus Schiefergestein gewinnt, wird die geopolitische Gewichtsverteilung verändern. Die USA und China können profitieren – aber auf Deutschland kommen harte Zeiten zu. Von Michael Stürmer

An der Börse wird nicht geklingelt, wenn die Kurswende ins Haus steht. Gleiches gilt für die Weltgeschichte, wenn nun die Geopolitik der Energie neu eingezeichnet wird auf der Karte des Globus. Eine neue Technologie, auf Englisch "fracking", die Erdgas und Öl aus Schiefergestein gewinnt, verändert nicht nur globale Märkte und Machtgeometrien, sondern auch den Sozialkontrakt in den Staaten und das Mächtegleichgewicht zwischen ihnen.

Noch hat jede neue Energie – ob Steinkohle und Dampfkraft zurzeit der industriellen Revolution, ob Elektrizität und Erdöl um die Wende zum 20. Jahrhundert oder die Nuklearkraft seit 1945 – die Geschichte von Krieg und Frieden umgeschrieben und das Schicksal der Menschen tiefer bestimmt als alle Politik. Ähnliches kommt gegenwärtig in Gang.

Die Münchner Sicherheitskonferenz zu Beginn dieses Monats, wo ansonsten von Mali und Syrien, von Raketenverteidigung und "smart defence", von der Wendung nach Asien und den Ungewissheiten des Euro die Rede war, widmete sich der neuen Energie-Bonanza. Dabei öffneten sich Perspektiven, die weit in eine noch kaum erkennbare Zukunft reichen.

Energiekrisen können Regierungen stürzen

Jedenfalls bedarf vieles von dem, was noch bis vor fünf Jahren in Sachen Energie als Naturgesetz galt – immer knapper, immer teurer – gegenwärtig der Überprüfung. Zweimal Hausse der Ölpreise, 1973 und 1980, und einmal eine lange Baisse seit 1986, haben Politik und Lebensformen geändert, Regierungen stürzen und Regime untergehen sehen. Und nichts spricht dagegen, dass auch weiterhin die Energie das Schicksal ist.

Aber diesmal ist, wenn auch nicht überall, maßvoller Optimismus angesagt. Neue Technologien erlauben es, verflüssigtes Erdgas (LNG: Liquefied National Gas) per Schiff von Terminal zu Terminal zu transportieren. Damit entsteht nicht nur erstmals ein Weltmarkt für Erdgas, unabhängig von Rohrleitungen, sondern es wird auch die traditionelle Bindung des Erdgaspreises an das Erdöl aufgehoben.

Vieles spricht dafür, dass die Preise für Erdgas weiter sinken werden und die globale Konjunktur einen Schub bekommt, der die Nachwirkungen der globalen Finanzkrise überwinden hilft und auch der gemeinsamen Währung der Europäer Auftrieb gibt. Doch es gibt nicht nur Gewinner.

Am wichtigsten ist, was in den Vereinigten Staaten von Amerika geschieht. Dort wird inzwischen ein wachsender Anteil des Bedarfs aus heimischem Erdgas gedeckt. Die gesicherten Vorräte sollen für ein Jahrhundert ausreichen. Es wird auch nicht mehr lange dauern, dann werden die USA zum Exporteur von Energie. Ihr Blick auf den Globus wird sich gleichzeitig ändern.

Die USA gewinnen, Russland verliert

Jene Erdölallianz, die seit einem Dreivierteljahrhundert die Amerikaner mit dem Persischen Golf verband, zum Guten wie zum Bösen, wird weniger zwingend sein. Amerika gewinnt an weltpolitischer Handlungsfreiheit, schon heute zu besichtigen am Persischen Golf: Ohne die Aussicht auf heimisches, billiges Erdgas hätte Washington wahrscheinlich gezögert bei der Erzwingung verschärfter Sanktionen gegen den erdölexportierenden Iran, der damit doppelt zu den Verlierern zählt.

Zu den Verlierern auf kurze Sicht gehört wahrscheinlich Russland, seit Jahrzehnten Petrostaat, dessen Schicksal am meisten vom Preis der Kohlenwasserstoffe abhing, abhängt und noch lange abhängen wird. Man braucht sich nur an die 1980er-Jahre zu erinnern. Die Ölpreiskrisen von 1973 und 1980 hatten Unmengen Petrodollars in die Kassen gespült und verführten die Sowjets zu weltweitem militärischem und wirtschaftlichem Ausgreifen.

Als 1986 der Ölpreis auf 10 Dollar stürzte und dort verharrte, war das der Anfang vom Ende der mächtigen Sowjetunion. Umgekehrt waren Putins Aufstieg und die russische Stabilisierung mit nichts so eng verbunden wie mit der Rückkehr zu hohen Preisen. Heute ist der russische Staatshaushalt aufgebaut auf einem Erdölpreis um die 100 US-Dollar pro Barrel.

Das Angebot an Gas auf dem Weltmarkt wird sicherlich auch die Preise für Erdöl drücken. Der Mann im Kreml wird sich langfristig auf ein Entwicklungsmodell einlassen müssen, das Russland aus einem Exporteur von Energie, Rohstoffen und Waffen zu einem Mitspieler im Hightech-Bereich macht. Das ähnelt mehr dem Modernisierungsmodell, das Medwedjew als Präsident vorgeschlagen hatte. Eurasische Entwicklungsdiktatur oder westlich gewendetes Entwicklungsmodell: Das sind die langfristigen Optionen.

Der Ölpreis, wie lange zuvor schon der Preis für Erdgas, entfaltet auch für Russland gesellschaftspolitische Bedeutung und zwingt zur politischen Richtungsentscheidung: allein die Energie-Monokultur oder gemeinsam mit dem Westen in Richtung Modernisierung.

China sollte weise sein

Für Chinas weiteren Aufstieg bedeutet die Schiefergas-Extraktion überwiegend ein Versprechen. Das Land hat, außer schwefelreicher Kohle und Nuklearkraft, kaum Energiequellen und braucht Importe – was wiederum Sicherung von Lieferquellen und Seewegen erfordert.

Günstiges Öl aus allen Himmelsrichtungen, noch günstigeres Schiefergas aus eigener Produktion – die Prognosen sprechen von den größten Vorräten der Welt – das alles nimmt den Druck von der Führung in Peking, von der Einkaufstour rund um die Welt möglichst viel mitzubringen.

Wenn die roten Mandarine weise sind, so leiten sie eine für ihr zunehmend nervöses Umfeld beruhigende Politik ein. 

Sind sie nicht weise, dann verführt sie der neue Reichtum zu Experimenten in Machtpolitik, die den Erdkreis erschüttern.

       
               
               
     

       
               
               
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