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EU gegen Befreiung von Ökostrom-Umlage

       
     
       
     

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EU will deutscher Industrie das Licht ausknipsen

So titelt „Die Welt“ am 20. Oktober 2013.


Viele Betriebe lassen sich von der Ökostrom-Umlage befreien. Doch nun schreitet die EU ein – und droht mit Nachzahlungen in Milliardenhöhe. Das würden viele Firmen wohl nicht überleben.

Für die deutschen Stromverbraucher gab es am Dienstag dieser Woche ein böses Erwachen: Elektrizität werde noch teurer, kündigten die Stromnetzbetreiber in ihrer Prognose für das kommende Jahr an. Denn die gesetzliche Umlage zur Subventionierung unwirtschaftlicher Ökostrom-Anlagen steigt rasant weiter, auf nunmehr 6,2 Cent pro Kilowattstunde.

"Die Belastbarkeitsgrenze für Privatverbraucher und Wirtschaft wird damit erreicht", warnt Thomas Bareiß, energiepolitischer Koordinator der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag.

Das ist nach Auffassung der Industrie noch untertrieben. "Ernsthaft gefährdet" sei die Wettbewerbsfähigkeit inzwischen, schreibt Ulrich Grillo, der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), in einem Brief, der am Sonntag an Spitzenvertreter der Wirtschaft verschickt werden soll und der der "Welt am Sonntag" vorliegt.

Tatsächlich würden heute schon viele Industriebetriebe unter den gesetzlichen Zusatzkosten der Ökostromförderung zusammenbrechen, wenn sie nicht durch besondere Härtefallregelungen geschützt würden. So sieht etwa die "Stromnetzverordnung" vor, dass sich Firmen unter bestimmten Voraussetzungen von der Zahlung der Netzentgelte befreien lassen können.

Für einen Betrieb mit hohem Stromverbrauch wie etwa die Aluminiumhütte Trimet in Hamburg bedeutet dieses Privileg eine Ersparnis von 20 Millionen Euro im Jahr – das ist der halbe Jahresgewinn.

Foto: Infografik Die Welt 

 

Finanzielle Entlastung:   

Bislang kommt die Industrie um viele Zahlungen herum.

Foto: Infografik Die Welt 

 

Angemeldeter Verbrauch:

Foto: Infografik Die Welt 

 

Entlastung nach Bundesländern  Ökostrom-Umlage

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Mehr Befreiungs-Anträge als je zuvor

Firmen des produzierenden Gewerbes können sich außerdem auf eine "besondere Ausgleichsregelung" im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) berufen. Wenn sie bestimmte Verbrauchswerte erreichen, müssen sie kaum noch EEG-Umlage zahlen. Die Industrie hat sich in diesem Jahr damit Kosten von rund 4,8 Milliarden Euro erspart, schätzt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Die Zahl der Unternehmen insgesamt, die versuchen, sich von der Zusatzlast zu befreien, steigt stark. Für 2011 registrierte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) noch 650 Anträge. Für 2013 dagegen gingen 2055 Anträge ein – und für das kommende Jahr liegen jetzt schon 2384 Anträge vor, gab das Bafa am Freitag bekannt.

Die Politik hatte solche Vergünstigungen in den einschlägigen Energiewende-Gesetzen verankert, um Arbeitsplätze im Mittelstand zu schützen und die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb nicht zu benachteiligen. Dass die nicht privilegierten privaten Stromverbraucher dadurch einen größeren Anteil an den Energiewendekosten tragen müssen, nahm sie in Kauf: Der Bürger sollte nur mit seinem Geld, nicht aber gleich auch mit seinem Arbeitsplatz für die Energiewende zahlen müssen, die Qualität des Wirtschaftsstandortes Deutschland sollte nicht gemindert werden.

 

Der EU sind die Ausnahmen ein Dorn im Auge

Doch mit den Vergünstigungen für deutsche Unternehmen könnte es bald vorbei sein. EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia erwägt seit Monaten die Aufnahme eines Verfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland, ließ sich nur aus politischer Zurückhaltung gegenüber dem größten Mitgliedsstaat Zeit mit der Eröffnung bis nach der Bundestagswahl. Ende Oktober fällt nun die Entscheidung.

Der Spanier will die Einspeisevergütungen einer kritischen Prüfung unterziehen, ebenso aber die Ökostrom-Rabatte für die deutsche Industrie. Sie könnten eine Beihilfe darstellen, die gegebenenfalls zu untersagen ist, sollte sie den Wettbewerb in Europa verzerren. Das muss in einem offiziellen Verfahren erst geklärt werden – aber andere EU-Mitgliedsländer wie die Niederlande und Tschechien dringen auf die Untersuchung, sie haben bei der Kommission Klage gegen die deutschen Ökostrom-Rabatte eingereicht.

Tausenden Unternehmen drohen jetzt je nach Ausgang des Verfahrens Nachzahlungen für die EEG-Umlage in Gesamthöhe von mehreren Milliarden Euro. Seit die EU-Pläne ruchbar wurden, seit Beamte aus dem deutschen Wirtschafts- und dem Umweltministerium im vergangenen Herbst nach Gesprächen in Brüssel einen entsprechenden Vermerk mit nach Hause brachten, herrscht unter Industrievertretern blanke Panik.

Eine "Massenpleite" fürchtet der Chef eines deutschen Wirtschaftsverbandes, der sich in Brüssel neulich über die Gefahr unterrichten ließ, die auf seine Leute möglicherweise zukommt.

 

Rabatte für Golfplätze und Schlachthäuser

Im schlimmsten Fall nämlich droht nicht nur ein Ende der Ausnahmen, sondern sogar die Rückzahlung bereits gewährter Rabatte. "Wenn die EU jetzt zu dem Ergebnis kommt, dass die Härtefallregelung im EEG nicht rechtens ist, dann war sie das, juristisch betrachtet, in den vergangenen zehn Jahren wohl auch nicht", sagt ein EU-Jurist in Brüssel. "Das könnte dann Nachzahlungen für all die Jahre zur Folge haben."

Zwar gibt es eine Reihe von Firmen, die auf Ökostrom-Rabatte und Netzentgeltbefreiungen nicht zwingend angewiesen sind. Gerade Grünen-Politiker schießen sich gern auf Golfplätze oder Schlachthäuser ein, die sich von Netzkosten freistellen ließen, obwohl sie weder im internationalen Wettbewerb stünden noch hilfsbedürftig seien. Doch solche Fälle sind eine kleine Minderheit. Selbst in der Chemieindustrie, die für zehn Prozent des deutschen Stromverbrauchs steht, profitierten in diesem Jahr nur 160 von mehr als 2000 Firmen von der EEG-Härtefallklausel, deutlich weniger als zehn Prozent also. Der Rest zahlt voll.

Zu den Unternehmen, die auf die Härtefallregelung angewiesen sind, gehört zum Beispiel der Gasehersteller Basi Schöberl GmbH aus Rastatt: Die Stromkosten für den mittelständischen Betrieb sind in den vergangenen zehn Jahren um 270 Prozent gestiegen – vor allem wegen der Energiewende.

Falls Brüssel die Härtefallregelung des EEG jetzt untersagt, "würden alle Investitionsvorhaben auf Eis gelegt, da die zu erwartenden Mehrbelastungen einen zweistelligen Millionenbetrag ausmachen würden", kündigt Basi-Chef Ingo Nawrath an. Noch höhere EEG-Kosten seien "für uns existenzbedrohend, und sie stellen unsere Produktion in Deutschland infrage".

 

Flucht ins Billigstromland Frankreich

Basi Schöberl hat bereits in den vergangenen Jahren einen großen Teil der Produktion nach Frankreich verlagert, weil dort der Strom sehr viel billiger ist. Die Aussicht auf eine weitere Belastung durch Streichung der EEG-Härtefallregelung bringt den Unternehmenschef in Rage. "Von uns wird Solidarität mit der Energiewende verlangt", sagt Nawrath. "Soll diese Solidarität so weit gehen, dass ich morgen die Produktion herunterfahren oder schließen muss?"

Wie groß die Belastung durch die Ökostrom-Umlage für jene Unternehmen ausfällt, die nicht unter die Härtefallregelung fallen, rechnet Reinhold von Eben-Worlée jedem vor, der danach fragt. Der Manager leitet die 162 Jahre alte Hamburger Worlée-Chemie GmbH, einen Hersteller von Harzen und Lacken, in fünfter Generation. Eben-Worlée kann sich nicht erinnern, dass es in der Unternehmensgeschichte schon mal ähnliche Zumutungen gegeben hat, wie sie jetzt mit der Energiewende auf seine Firma zugekommen sind.

"Konkret zahlen wir in diesem Jahr rund 450.000 Euro EEG-Umlage sowie rund 160.000 Euro weitere energiegebundene Abgaben – das summiert sich auf 57 Prozent unserer Gesamtkosten für Strom in Höhe von 1,1 Millionen Euro", erklärt Eben-Worlée: Das sei "Geld, das wir lieber in die Modernisierung und den Ausbau unserer Produktionsanlagen oder in die Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Forschung und Entwicklung investiert hätten."

 

Es geht um den Kern der deutschen Industrie

Solche Belastungen würden in Zukunft auf alle Unternehmen zukommen, wenn die EU-Kommission die EEG-Ausnahmen streicht. Auch die Metall- und Stahlindustrie sieht deshalb schwarz: "Wenn wir die EEG-Umlage voll zahlen müssten, bedeutet das allein für die saarländische Stahlindustrie eine Mehrbelastung in zweistelliger Millionenhöhe", sagte der Vorstandschef der Dillinger Hüttenwerke und Saarstahl AG, Karlheinz Blessing, in der zurückliegenden Woche auf einer Konferenz mit Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU): "Dann können wir einpacken."

Vertreter der Metallindustrie wandten sich nach Informationen der "Welt am Sonntag" schon an EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Ihre Sorge: Bereits die Aufnahme eines förmlichen Beihilfeverfahrens würde aufgrund europäischer Verfahrensregeln bedeuten, dass die EEG-Härtefallklausel vorerst ausgesetzt werden muss. "Allein dies würde die elf größten Stromverbraucher unserer Branche mit 600 Millionen Euro belasten, was Kosten von 70.000 Euro pro Arbeitsplatz entspricht", heißt es in dem Schreiben an Barroso.

Es geht dabei nicht einfach nur um einige Grundstoffproduzenten, die aus volkswirtschaftlicher Sicht wenig bedeutend wären: Es geht um den Kern der Metall-, Stahl- und Chemie-Industrie in Deutschland und damit um den Ausgangspunkt zahlloser Wertschöpfungsketten. "Deutschland hat bislang das beste Industrienetzwerk der Welt", warnt VCI-Hauptgeschäftsführer Utz Tillmann: "Wenn wir jetzt gezwungen werden, unsere Wertschöpfungsketten zu zerstückeln, werden wir den Weg Englands gehen, den Weg der Deindustrialisierung."

Würde die Industrie verpflichtet, die EEG-Umlage rückwirkend nachzuzahlen, wäre das "ein Desaster", so Tillmann.

 

So tricksen sich Firmen auf die Liste

Der Verband industrielle Kraftwirtschaft (ViK), in dem die großen Stromverbraucher der Industrie organisiert sind, glaubt sogar, dass Ökostrom-Förderung nach dem deutschen Modell nirgendwo in Europa mehr möglich wäre, wenn Brüssel die EEG-Härtefallregelung kippt. "Das Erneuerbare-Energien-Gesetz steht und fällt mit den Entlastungstatbeständen für große Stromkunden", warnt ViK-Hauptgeschäftsführerin Annette Loske.

"Rüttelt die EU nun daran, stellt sie die gesamte Erneuerbaren-Förderung, aber auch das erfolgreiche Wohlstandsmodell der industriellen Exportwirtschaft Deutschland infrage." Ohne die großzügigen Ausnahmen für Unternehmen mit hohem Strombedarf "wäre die gesamte Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland nie umsetzbar gewesen", so Loske.

Ob ein Unternehmen in den Genuss der Vergünstigung kommt, hängt von Stromverbrauch und -kosten ab. Nur Unternehmen mit mindestens einer Gigawattstunde Verbrauch und Stromkosten in Höhe von mindestens 14 Prozent der Bruttowertschöpfung können unter die Härtefallregelung schlüpfen. Doch weil die EEG-Belastung kontinuierlich steigt, wenden manche Firmen inzwischen allerlei Tricks an, um die Grenzwerte zu erfüllen. "Wo die Not groß ist, werden die Menschen erfinderisch", rechtfertigt ein Manager das Vorgehen.

 

Berater helfen bei der EEG-Optimierung

Dem Vernehmen nach handeln zum Beispiel einige Industriebetriebe mit ihrem Energieversorger ganz neue Verträge aus. Darin werden die Strompreise künstlich nach oben gesetzt, gleichzeitig wird aber weniger für Erdgas berechnet. Für den Energielieferanten bedeutet das in Summe keinen Nachteil. Der Industriekunde kann allerdings mithilfe der künstlich erhöhten Stromrechnung das 14-Prozent-Kriterium bei der Bruttowertschöpfung erfüllen – und sich bei der Bafa als EEG-Härtefall ausgeben.

Inzwischen lebt eine ganze Beraterbranche von solchen Tricks zur Erlangung der EEG-Befreiung. Gern empfehlen sie Unternehmen, verstärkt Leiharbeiter einzustellen oder Mitarbeiter mit Werkverträgen auszugliedern. Auf diese Weise sinkt buchhalterisch die Bruttowertschöpfung des Unternehmens im Verhältnis zu seinen Stromkosten – und der Betrieb kann EEG-Privilegien geltend machen.

Eine andere Variante besteht darin, als Konzern Strom günstig einzukaufen, um ihn dann an eine Tochterfirma teuer weiterzuverkaufen. Die Konzerntochter gilt dann wegen des hohen Stromkostenanteils als EEG-Härtefall und kann so Vergünstigungen in Anspruch nehmen, die sonst am Gesamtkonzern vorbeigegangen wären.

 

Strom-Rabatt für Rolltreppen

So berichten Berater von einer Kaufhauskette, die den Betrieb ihrer Rolltreppen in eine eigene Tochtergesellschaft ausgelagert hat. Stromkostenanteile, auf die der Kaufhauskonzern nie gekommen wäre, kann die Rolltreppentochter für sich sehr wohl geltend machen – und entsprechend Entlastung von der EEG-Umlage einfordern.

Einige Tricksereien laufen dem Ziel der Energiewende, etwa der Effizienzsteigerung, geradewegs zuwider. Sie sind ungewollte Folgen und Kollateralschäden eines aus dem Ruder gelaufenen Subventionssystems, wie es das Erneuerbare-Energien-Gesetz darstellt. So versuchen einige Unternehmen sogar, ihren Stromverbrauch künstlich zu erhöhen, um noch unter die Entlastungsregelung schlüpfen zu können.

Dem Vernehmen nach gibt es beispielsweise Discounter, die in ihren Supermärkten zeitweise absichtlich die Deckel von den Kühltheken nehmen, um den Stromverbrauch über die gesetzlich geforderte Ein-Gigawattstunden-Grenze zu treiben.

Noch einfacher ist es für Unternehmen, bei der Zahlung von Netzentgelten Rabatt zu bekommen. Die Stromnetzverordnung schreibt als Voraussetzung lediglich eine "atypische Netznutzung" vor. Die technische Logik dahinter: Wer seinen Verbrauch in die Nachtstunden verschiebt, entlastet damit das Stromnetz. Das schwankende Aufkommen von Solar- und Windstrom soll dadurch im Netz besser ausbalanciert werden. Und dafür, so der Gesetzgeber, soll es eine Belohnung geben.

 

Ein Golfplatz, der Gutes tut

In diesem Zusammenhang geriet der Golfplatz Johannesthal im badischen Königsbach-Stein in die Schlagzeilen, der bei der Bundesnetzagentur eine Reduzierung der Netzentgelte beantragt – und bekommen hatte. Grünen-Politiker griffen das Bild von Golf spielenden Superreichen auf, die mit angeblich ungerechtfertigten Privilegien die Kosten der Energiewende nach oben trieben.

Golfplatzmanager Werner Schaffner sieht sich völlig zu Unrecht an den Pranger gestellt. Er habe doch immerhin dafür gesorgt, dass die Rasensprenger und die Wasserpumpen immer dann abgestellt blieben, wenn das örtliche Stromnetz stark belastet ist. Auch die elektrischen Golfcarts werden nur noch dann aufgeladen, wenn es die Stabilität des Netzes zulässt.

"Wir waren und sind der Überzeugung, dass wir damit etwas Gutes tun, denn nur wenn die Verbraucher zukünftig mitwirken, kann die Energiewende mit den komplexen Aufgaben der EEG- und Fotovoltaikeinspeisung gemeistert werden", erklärt Schaffner. Der Rabatt für seinen Einsatz: 3000 Euro.

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