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 Die  Windkanone

 und andere bizarre Wunderwaffen  

       
     
       
       

Foto: NARA   

       
     
       
      Am Ende des Zweiten Weltkriegs experimentierte die Wehrmacht mit den merkwürdigsten Technologien. Eine "Lärmkanone" sollte Infanterie stoppen, ein "Verschleißjäger" alliierte Bomberpulks.
Der (Alb)traum von den Wunderwaffen
Von Sven Felix Kellerhoff

Die "Windkanone" und andere bizarre Wunderwaffen

Zum Beispiel die "Windkanone", die amerikanische Truppen 1945 auf einem Testgelände bei Hillersleben entdeckten. Mit diesem Gerät sollte die Energie von Knallgasexplosionen auf alliierte Tiefflieger gerichtet werden.

Wer mit dem Rücken zur Wand steht, kann aufgeben – oder noch der abstrusesten Idee eine Chance auf Verwirklichung einräumen. In den letzten anderthalb Jahren des Zweiten Weltkriegs tat das Dritte Reich eindeutig das Letztere.

Als westalliierte Truppen ab März 1945 immer größere Teile Deutschlands besetzten, wunderten sie sich nicht schlecht: Versteckt in halb zerstörten Fabriken oder unterirdischen Lagern fanden sie teilweise geniale, teilweise höchst seltsame Waffenkonstruktionen.

Ende April 1945 etwa stießen US-Soldaten in Hillersleben rund 20 Kilometer nordwestlich von Magdeburg auf ein Testgelände mit exotischen Geräten. Das seltsamste war ein L-förmig gewinkeltes Rohr, das am Ende spitz zulief und gen Himmel wies. Die ganze Konstruktion ruhte auf einer Eisenbahnlafette für überschwere Geschütze.

Tatsächlich handelte es sich um eine Art Kanone: Mithilfe der Rohre sollte die Energie einer detonierenden Mischung aus Sauerstoff und Wasserstoff gen Himmel gerichtet werden. Auf diese Weise wollten Wissenschaftler der Heeresversuchsanstalt auf dem Schießplatz Hillersleben Tiefflieger abschießen.

Die "Windkanone" zertrümmerte Holzplanken

In Verhören gaben die zuständigen Ingenieure an, ihre Waffe hätte in Versuchen eine 200 Meter entfernte Holzplanke von mehr als zwei Zentimeter Stärke zerbrochen. Das klang gut, zeigte aber in Wirklichkeit, wie ungeeignet die Idee einer Windkanone war. Denn alliierte Tiefflieger flogen selten in 200 Meter Höhe oder noch weniger über klar erkennbare Geschützstellungen hinweg. Außerdem wäre es bei Geschwindigkeiten von 450 und mehr Stundenkilometern fast unmöglich gewesen, mit dem Windenergiestoß ein Flugzeug direkt zu treffen.

Das gelang selbst mit in Splitterwolken explodierenden Flakgranaten nur selten. Dabei konnten die entsprechenden Geschütze gezielt abgefeuert werden. Der Militärhistoriker Rolf-Dieter Müller nennt die Windkanone denn auch "eine der zahlreichen Sackgassen" der deutschen Rüstung gegen Ende des Zweiten Weltkrieges.

Noch eigenwilliger war die "Lärmkanone", die der Elektrochemiker Richard Wallauschek 1944 in Tirol erprobte. Durch zwei Parabolschüsseln sollte die Schallenergie von Knallgasexplosionen so gerichtet und konzentriert werden, dass Menschen über eine Entfernung von 60 bis 100 Meter getötet werden konnten.

Die "Windkanone" fand moderne Nachfolger

Wallauscheks Konzept hatte allerdings einen gravierenden Nachteil: Um eine solche Wirkung zu erzielen, hätte der Feind mindestens eine halbe Minute solchem Lärm ausgesetzt sein müssen. Die Erfahrungen ganz normaler Infanteristen, die schon seit Jahrzehnten Granatenexplosionen auf dem Schlachtfeld ertragen mussten, zeigten, dass diese Annahme unrealistisch war. Die Entwicklung der Schallkanone wurde Anfang 1945 eingestellt.

Allerdings ist aus dieser Idee tatsächlich eine praxistaugliche Waffe geworden, die Long Range Acoustic Device. Dieses scheibenförmige Gerät ist allerdings ausdrücklich als nicht tödliche Waffe entwickelt worden und wird unter anderem von privaten Reedereien, aber auch von westlichen Kriegsschiffen eingesetzt.

Die moderne Schallkanone gibt im unteren Hochtonbereich zwischen zwei und drei Kilohertz Geräusche mit bis zu 150 Dezibel ab – zum Vergleich: Ein Düsentriebwerk unter Volllast in 25 Meter Entfernung ist gefühlt halb so laut. Mit der Waffe sind schon mehrfach Piratenüberfälle auf Schiffe im Golf von Aden verhindert worden.

Keine Zukunft dagegen hatte die Idee eines "Verschleißjägers". Der Ingenieur Erich Bachem hatte, nach einer entsprechenden Anforderung der Luftwaffe, ein senkrecht startendes Raketenflugzeug entwickelt, die Bachem Ba-349, besser bekannt unter ihrem Namen "Natter".

Der "Verschleißjäger" war lebensgefährlich

Der extrem einfach aufgebaute Jäger aus Holz brauchte keine Rollbahn, sondern konnte überall von einem einfachen Gestell aus gestartet werden. Das Raketentriebwerk mit flüssigem Treibstoff und vier Feststoffhilfsraketen sollten der "Natter" eine Flugzeit von 120 Sekunden geben.

Bachems Vorstellung war, seine Flugzeuge in alliierte Bomberpulks hinein starten zu lassen. Dort sollten sie mit 1000 Stundenkilometern ihre Ziele suchen und mit bis zu 33 ungelenkten Raketen in der Spitze attackieren. Danach würden die in Eilkursen ausgebildeten Piloten mit dem Fallschirm aussteigen. Sicher gelandet, sollten die Männer dann neue "Nattern" bekommen, wieder für genau einen Einsatz.

Die Aerodynamik war korrekt berechnet, wie Schleppversuche 1944 zeigten. Allerdings starb beim ersten und einzigen bemannten Testflug mit Senkrechtstart der Pilot Lothar Sieber, ein wagemutiger und hochbegabter Flieger.

Weil eine Feststoffrakete klemmte, bohrte sich seine "Natter" am 1. März 1945 fast mit Schallgeschwindigkeit in den Boden bei dem Dorf Nusplingen auf der Schwäbischen Alb. Von Sieber wurden nur der halbe linke Arm, das halbe linke Bein und ein langer Splitter des Schädels gefunden.

Erich Bachen übrigens konstruierte nach dem Krieg noch verschiedene Grubenlokomotiven und andere Technik für Bergwerke. Später konzentrierte er sich auf Wohnanhänger. Ein Fluggerät aber hat er nie wieder entwickelt.

 

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