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Gnosis und Isais  (Teil-2):  Abraxas

       
     
       
     

Gnosis und Isais  -  Abraxas

       
     
       
      ABRAXAS

Das weite Kapitel Gnosis - und namentlich Isais im gnostischen Licht - haben wir im Juni dieses Jahres begonnen, und dabei schon eingangs erwähnt, daß wir möglicherweise einen Punkt vorziehen werden, nämlich: Abraxas. So wollen wir es nun auch halten, und zwar aufgrund einiger Überlegungen, über die vorher kurz gesprochen werden soll:

Zunächst einmal: In den meisten gnostischen Schulen und Sekten hat Abraxas keine so tragende Rolle gespielt, daß sich im Zuge solcher Betrachtungen gut darauf eingehen ließe, ohne diesen Punkt übergewichtet erscheinen zu lassen. Überdies ist die Ausdeutung von Abraxas bei den verschiedenen gnostischen Gruppierungen, wie sie vor allem in Alexandria zahlreich waren, keineswegs immer genau dieselbe gewesen. Es würde also leicht zu irritierenden Eindrücken kommen können, wollten wir Abraxas ausschließlich im Rahmen der allgemeinen Betrachtung der Gnosis abhandeln.

Vor allem aber steht hier ja im Vordergrund, den Isais-Aspekt im Lichte der Gnosis zu betrachten – oder, wie man auch sagen könnte, genau umgekehrt: gnostisches Denken aus isaisbündischer Perspektive.

Für den Isais-Bereich aber hat Abraxas eine sehr besondere und vielschichtige Bedeutung, die wiederum nicht einfach dieser oder jener gnostischen Sichtweise entspricht, sondern eben eine sehr spezifische ist. Anders als für die meisten gnostischen Formationen, hat Abraxas im Isais-Bereich sowohl eine direkte wie auch eine doppelt verschlüsselte Bedeutsamkeit; und bei genauem Hinsehen zeigt sich, daß auch der Weg von Abraxas zum Konzept der Figura (Baphomet) ein sehr direkter ist, daß hier also Verbindungen bestehen, die zwar nicht auf den ersten Blick offenkundig sind, bei genauer Betrachtung aber schnell erkennbar werden.

Dazu kommt, daß auch beim Templer-Orden an einzelnen Punkten Abraxas eine Rolle gespielt hat; und zwar in einem Sinne, der wieder eine Brücke zur Isais-Sicht erkennbar werden läßt – sowie besonders hinsichtlich der Magna Figura und der mit dieser verbundenen Vorstellungen.

Für diejenigen, die unsere zurzeit in der Rubrik „Ausblick" in monatlichen Fortsetzungen zu lesende Vorabveröffentlichung des neuen Schlüsselromans „Die ewige Mitternacht" verfolgen, sind die in diesem Artikel behandelten Aspekte

sicher besonders interessant; diese Fortsetzungsveröffentlichung hat ja unsere Isais-und-Gnosis-Artikelreihe ganz wesentlich mit inspiriert. Vieles, was dort in Form eines mystisch anmutenden Kriminalromans geschildert ist, bedeutet ja mehr als das, was in wort-wörtlichen Formulierungen dort zu lesen steht. Das braucht Kennerinnen und Kennern des Stoffs und der Hintergründe natürlich nicht eigens gesagt zu werden, doch selbstverständlich sind nicht alle erweiterten Kenntnisse so allgemein verbreitet, daß jede Leserin und jeder Leser sogleich über diese verfügte, zumal ja auch immer wieder Menschen hinzustoßen, für die vieles naturgemäß noch neu ist.

Isais intern

So gibt es also gleich mehrere gute Gründe, das Motiv Abraxas in einem eigenen Kapitel zu behandeln. Da wir uns dabei nicht zuletzt auf Hinweise in eigenen Archiven stützen wollen, ist die nunmehr gewählte Vorgehensweise sicher wohl die beste. Den Leserinnen und Lesern wird dadurch zugleich ein besonderer Blick auf das in den kommenden Teilen dieser Artikelreihe Gebotene gegeben.

Die landläufige Definition von Abraxas ist die eines gnostischen Gottesnamens, welcher zugleich der Zahl 365 entspricht, was sich sowohl auf die 365 Tage des Jahres bezieht wie auch - in erster Linie - auf die angenommenen 365 Welten. Wie dies im einzelnen gesehen wurde, ist, wie schon gesagt, bei den verschiedenen gnostischen Gruppierungen sehr unterschiedlich gewesen. Mal galt Abraxas als der große Archon, mal als eine Äußerung des außerhalb unseres Kosmos’ stehenden Übergottes, mitunter auch im Sinne einer Monade verstanden, nie aber klar umrissen, und hinsichtlich des Ursprungs nie eindeutig definiert.

Abraxas - 123

Verwirrung erzeugten dazu auch noch verschiedene dichterische Auslegungen von Abraxas, getätigt von Menschen, die fern davon waren, Kenner der Gnosis zu sein, wie beispielsweise Hermann Hesse. Dieser schreibt in seinem „Demian" etwa: „… unser Gott heißt Abraxas, und er ist Gott und Satan, er hat die lichte und die dunkle Welt in sich …" Doch was Hesse, der Dichter, schreibt, hat außerhalb seines dichterischen Schaffens keinen Boden.

Auch die tiefgehende Betrachtungsweise des Philosophen und Psychologen C.G. Jung will nicht Sinn und Ursprung von Abraxas ergründen, sondern die Auswirkung der verschiedenen Sichtweisen auf das Denken und Empfinden der Menschen, die sich damit auseinandersetzten.

Solche Behandlungen aus neuer Zeit können und müssen wir an dieser Stelle völlig beiseite lassen. Ansonsten würden wir schon am Anfang unserer Arbeit im Hinblick auf Abraxas den Blick für das Wesentliche verlieren und uns in neuzeitlich geprägtem Denken verirren.

Näher an Abraxas führt uns schon das kleine Templerbuch, indem es dazu heißt:

„Und der Schlüssel für die Pforte zu allen Zeitlichkeiten ist genannt: Abraxas; und

der Schlüssel zur den Pforten aller Räume heißt: Ma-Ka-A-Ra…

… Das Wort, welches bezeichnet das Wirken mit den verschiedenen Zeitenheiten, dieses heißet: Abraxas, welches die Saraszenen auch aussprechen: Abrakadabra. Es kommt aber von den alten Persern her und von deren Zauberleuten, die genannt wurden: Mogani, wovon auch unser Wort Magie abstammt. So sind es wohl die Perser gewesen, und vor diesen anfänglich, wie die Perser selbst es erzählen, ihre Urahnen aus dem weit entfernten Lande Arya Varta (Indien)… Doch niemand weiß um die Herkunft des Abraxas heutigen Tags mehr genau zu sagen, wie auch nicht vom Ma-Ka-A-Ra; und für das Umgehen damit ist dies auch nicht am wichtigsten, denn es hänget nicht an dem Ursprungsort, sondern lieget im Geiste. …

Von den vier Zeitenheiten gilt es nun (Anmerkung: in Zusammenhang mit Abraxas) zu sprechen, über die vier verschiedenen Arten an Zeit, welche es gibt, gesonderte hüben und drüben, im Diesseitigen wie auch im Jenseitigen, denn das ist ein wichtiger Teil von dem hohen Arcanum: Zwei Zeiten in der Welt da hier gibt es, zwei Zeiten gibt es im Jenseits, und dann noch gibt es die Zeitlosigkeit, welche ist mit zu beschreiben, obschon diese keine Zeit ist und rechnet also nicht als eine solche… Das was wir die Vergangenheit nennen, das was wir die Gegenwart nennen, und das auch, was wir die Zukunft nennen; und alles ist eines für Gott. Damit aber ist es gleichsam gewiß, daß alles immer da ist, was die Erdenwelt angeht, zu welcher Zeit auch immer für uns Menschen da hier, ob vergangen für uns, gerade erst da, oder ob zukünftig: Alles das ist immer da und war immer da, und zwar zur selben Zeit. Mithin ist es denen, die das große Abraxas (Anmerkung: hier als Zauber verstanden) beherrschen, auch möglich, zu jeder Zeit wirksam zu werden. … Es ist aber an dem, daß in der zweiten Erdenzeit so wie Ritzen sich auftun können, durch welche der Mensch dann in die erste Erdenzeit kann blicken, wie von einer anderen Seite aus, und das erscheint schwierig zu begreifen. Und darin aber, daß solches mit magischen Mitteln und also voller Absicht bewirkt wird, darin besteht ein Geheimnis der magischen Wege des Abraxas."

Hier gilt Abraxas also als die Magie der Zeiten, welche mit Makaara, der Magie der Räume, zusammenwirken muß, wenn bedeutende Erfolge erzielt werden sollen.

Der Text aus dem „Kleinen Buch" der Templer weist auf zwei Punkte hin, die sowohl dem tieferen Sinn wie auch dem Ursprung von Abraxas schon sehr nahe kommen. Dieser Text wurde in der Originalfassung belassen, obwohl aus Quellen des Ordo Bucintoro noch Wesentliches hinzugefügt hätte werden können, was wir nun gleich auch noch besprechen wollen. Schon der Templertext aber definiert „das Abraxas" als Magie der Zeiten – worin ein wichtiger Teil der Wahrheit steckt – und es weist auf Persien als einen Ursprungsort hin; und auch das erweist sich als richtig, wobei Spekulationen über eventuelle noch frühere Quellen möglich sind, aber jetzt nicht zielführend wären. Der Templertext macht auch Angaben darüber, woher das Wissen in die Hände der Ritter gelangt ist, was jedoch ein eigenes Thema wäre. Das dort Gesagte ist auf jeden Fall logisch, im Rahmen des damals Möglichen war die Kenntnisfindung sicherlich die beste, und die Resultate sind hoch respektabel.

Als magische Verfahrensweisen gesehen, sind wahrscheinlich sowohl Abraxas wie auch Makaara – unter welchen Namen auch immer – den meisten alten Hochkulturen bekannt gewesen; das ist für unsere heutige Betrachtung aber nicht ausschlaggebend, denn wir wollen explizit über Abraxas sprechen.

Der Templertext ist vor allem insofern hoch beachtenswert, wie er mehrere frühere Deutungsweisen quasi überspringt und dicht an den wahren Sinn gelangt: Abraxas ist eine Kraft! Alle Verbildlichungen und Personifizierungen aus gnostischer Zeit haben diesen ursprünglichen Sinn verdunkelt. Abraxas ist also eine Kraft – gewiß nicht zufällig in einem Atemzug mit Makaara genannt, das ebenfalls eine Kraft ist.

Abraxas Makaara Magie

Dieselbe Deutung des Zusammenwirkens von Abraxas als Magie der Zeiten, und Makaara als Magie der Räume findet sich in neuer Zeit in der isaisbündischen Gemeinschaft von Leona und Erika wieder, namentlich bei den „schneidemagischen" Handlungen (d.h. mit glatt auf Kinnhöhe geschnittenen Haaren), in welchen das Makaara von den Frauen nicht auf traditionelle Weise ausgeübt wird, sondern als eine Komponente des Abraxas, wobei Makaara- und Abraxas-Faktoren auf einander abgestimmt sein müssen. Dies wäre ein kompliziertes Thema für sich, doch die Erwähnung erscheint hier sinnvoll, weil der große Zusammenhang, der bis in magische Denkarten der Gegenwart hinein besteht, dadurch besonders deutlich wird. So weit dies den Themenkreis Isais und Gnosis direkt berührt, werden wir zukünftig noch darüber sprechen. Vorerst aber zurück in vergangene Zeiten.

Ehe wir auf die Kraft Abraxas näher eingehen, wollen wir aber das Wort sowie die Umsetzungen in bildliche Darstellungen behandeln.

Das Wort ABRAXAS hat mit Sicherheit einen weiten Weg hinter sich, wie auch verschiedene Schreibweisen, die sämtlich mit griechischen Buchstaben beschrieben sind: Abracha, Abraka, Abrasa, Abraxa, Abrakas und schließlich Abraxas – wobei allein diese Form sich auch in einer anderen früheren Schrift findet, nämlich in zwei persischen Texten, in babylonischer Keilschrift geschrieben. Selbstverständlich begegnen wir an dieser Stelle dem unvermeidlichen Problem, daß die Sprechweise der erloschenen Altsprachen de facto unbekannt ist. Die Keilschrift arbeitet silbastisch, sie besteht also nicht aus Buchstaben, sondern aus Silben. Da wiederum gibt es verschiedene Keilzeichen, mittels derer ein aus mehreren Silben gebildetes Wort zusammengesetzt werden kann. Besonders dort, wo die sumerisch-babylonische Keilschrift von anderen Völkern benutzt wurde, paßten diese sie ihren Sprachen an. So taten es auch die Perser. Die vorgefundene Keil-Schreibweise ist: AB-RAK-SAS. Also eigentlich Abraksas. Im Griechischen ist daraus Abraxas geworden, und wir können annehmen, daß dies der Sprechweise gerecht wird, da die Griechen jener Zeit die alte persische Sprache noch phonetisch kannten (erst später, als durch das Eindringen des Islams nach Persien dort die für die vokalreiche persische Sprache sehr ungeeignete arabische Schrift eingeführt wurde, änderte sich auch die alte persische Sprache, wie Schriftsprache im Laufe der Zeit immer auch die Umgangssprache zu beeinflussen pflegt).

Die mitunter vertretene Annahme, das Wort Abraxas komme aus dem Koptischen, läßt sich nicht untermauern. Richtig ist, daß Abraxas bei den Kopten als Begriff für „heiliges Wort" verwendet wurde. Das hat hin und wieder bei Menschen, welche die koptische Sprache nicht kannten, zu dem Irrtum geführt, Abraxas sei Koptisch und heiße „heiliges Wort", während lediglich das geheimnisvolle Wort „Abraxas" in dieser Bedeutung in die koptische Sprache eingeführt wurde.

Auf jeden Fall: Mit Abraxas haben wir – resp. hatten die Gnostiker – also wohl in der Tat den richtigen Klang dieses Wortes gefunden.

Abraxas Orient-Oxident

Damit sind wir aber nun im alten Orient, und das führt zum Ursprung von Abraxas, soweit dieser sich zurückverfolgen läßt. Wir befinden uns jetzt also in vor-gnostischer Zeit, in einer Epoche, da Alexandria noch gar nicht erbaut war, als das Perserreich herrschte, welches in vielem das kulturelle Erbe Babylons angetreten hatte. Kein Wunder also, wenn früheste Bilddarstellungen, die an später übliche Abraxas-Darstellungen erinnern, bereits auf babylonischen und assyrischen Rollsiegeln auftauchen. Insofern kann ein Bogen vom alten Babylon bis in die Templer-Zeit geschlagen werden, und es wird sich zeigen, daß dies kaum zufällig so ist.

Die ursprünglichen Bilddarstellungen von Abraxas hatten noch nichts gemeinsam von den späteren Abbildungen als der „Solare Hahn" (der Hahn, von den Gnostikern verstanden als Wesen des Sonnenaufgangs), wie ihn die Gnostiker gestalteten und nach diesen sowohl Isaisbünde wie auch spezielle Sektionen des Templerordens verwendeten. Ja, das Motiv mit dem Hahnenkopf selbst ist im Grunde falsch, es beruht vermutlich auf einem Irrtum. Wir wissen nicht, wie die ersten Abraxas-Bilder aus dem alten Persien aussahen, welche nach Griechenland gelangten. Möglicherweise handelte es sich um kleine oder beschädigte Tonfiguren und Tontafeln, auf denen sich nicht genau erkennen ließ, was mit diesen geheimnisvollen Darstellungen gemeint war. Inzwischen wissen wir: Kein Hahn, nicht dieses Gleichnis mit dem Sonnenaufgang, symbolisierend das kommende Licht, sondern eine Adaptation des Greif.

Greif-3

Der Greif, dieses uralte arische Symbol, was gewissermaßen das nationale Zeichen des alten Irans (Iran heißt Arier). Noch heutzutage sind Greif-Darstellungen in den antiken Zeugnissen des Irans häufig, nicht allein bei den Ruinen von Persepolis. Der Greif (Grifo), ein Fabelwesen, aus einem Adler und einem Löwen gebildet, ist in mannigfaltiger Form bekannt, stehend und sitzend oder auch als Doppelgreif.

Von Persien aus wanderte das Greif-Symbol nach Europa, besonders nach Deutschland. Wir sehen den Greif in Stadt- und Landeswappen sowie als dekoratives Element an zahlreichen Bauwerken. Wieso ausgerechnet der iranische Greif derart starke Wurzeln hierzulande schlug, wäre vielleicht einer Betrachtung wert, was im Augenblick aber zu weit führen würde.

Greif - Bremen

Als sicher darf gelten: Die ersten Darstellungen des „Abraxas-Geistes", gewissermaßen die Originale, sind Adaptationen des Greif gewesen. Erst viel später veränderten die griechischen Gnostiker den Greif zum Hahn und schufen jene typische Form, die noch heute in einer großen Anzahl von Bilddarstellungen erhalten ist, besonders in Form von Kameen und Gemmen, aber auch auf Schmuckgegenständen, an Spiegeln oder auf Gefäßen.

Bei den Gnostikern wurde Abraxas nun mit einer menschenähnlichen Gestallt dargestellt, die einen Hahnenkopf besaß und schlangenförmige Beine. In seinen Händen hielt er Schild und Geißen, manchmal statt der Geißen auch eine Keule oder, selten, ein Schwert. Der Hahnenkopf war meist mit Lorbeeren oder einem kronenähnlichen Gebilde geschmückt. In diesem Sinnbild sollten viele Symbolismen vereinigt sein: Geist und Vernunft, Kraft und Macht, Licht und Dunkel (jedoch nicht Finsternis!), die Verbindung zum Menschen und auch zum Tierreich etc. Bei alledem stand der Hahnenkopf – der Hahn – für das Tier der aufgehenden Sonne, und Abraxas insgesamt also auch als Herrscher kommenden Lichts.

Im Kern der Angelegenheit ist der Solare Hahn Abraxas der Gnostiker dem Greif-Abraxas des alten Iran doch wieder eng verwandt, da auch der Greif für den Triumph des Lichts steht und für den Sieg des Guten über das Böse.

Abraxas-6

Aber sowohl die Detaildarstellungen wie auch die Deutungen haben sich bei den verschiedenen, oft sehr unterschiedlichen, gnostischen Sekten schnell verselbständigt, so daß vom Ursprünglichen bald nur mehr wenig verblieben war.

Abraxas-6

Damit hatten die Gnostiker sich ein eigenes Sinnbild geschaffen, das mit dem iranischen Ursprung nur mehr wenig zu tun hatte. Diese Verselbständigung trat verhältnismäßig schnell ein, und zur Blütezeit der Gnosis wußte kaum noch ein Gnostiker, was Abraxas wirklich bedeutete; eine isaisbündische Gravur zeigt einen Abraxas sogar mit Spiegel und Dolch. Der Name des inzwischen als persönliches Wesen gedachten Abraxas galt daher oft nur noch als Zauberwort, dessen Bedeutung niemand mehr kannte, das jedoch den Weg zum Licht verhieß.

So wurde ABRAXAS zu einem Gott der gnostischen Glaubenswelt, insbesondere im 1. bis zum 4. Jahnhundert nach Christus. In der Zahlenmystik stand Abraxas für das Jahr 365 (A = 1, B = 2, R = 100, A = 1, X = 60, A = 1, S = 200). Ferner symbolisierte Abraxas mit seinen sieben Buchstaben die sieben Tage der Woche und somit die Schöpfung dieser Welt und des diesseitigen Kosmos’. Also galt Abraxas vielen Gnostikern als der höchste Gott, welcher gleichsam mit dem außerhalb der sichtbaren Schöpfung stehenden Licht-Gott (Christus) eines werden konnte. In anderen gnostischen Schulen, welche im Jahwe des AT den Demiurgen und „bösen Weltschöpfer" (des Grobstoffs) sahen, hatte Abraxas zumeist keine klar definierte Bedeutung, er – meist als persönliches Wesen angenommen – galt aber zumeist als der Herrscher der kosmischen und überkosmischen Ebenen.

In spät-gnostischer Zeit wurde dem Abraxas ein Rabe als ihn begleitendes Tier hinzugefügt, mitunter auch ein Rabenpaar. Auf den ersten Blick kann das beinahe an den germanischen Wotan (Odin) erinnern. Tatsächlich findet sich dieses Motiv aber auch in alt-iranischen Mythen. Ähnlich wie bei uns die Kirche wütete, hat im Iran die Islamisierung viele alte Kulturwerte aus Intoleranz vernichtet. Es ist somit sehr oft äußerst schwierig, dieses oder jenes Detail zuverlässig einzuordnen.

In den quasi-gnostischen Isaisbünden, besonders wohl in denen der relativ späten, im Grunde schon nach-gnostischen Zeit dürfte der Abraxas auch eine ähnliche, wenngleich deutlich wichtigere Position innegehabt haben wie der damals noch nicht bekannte Malok, welcher ja erst durch die mittelalterliche Isais-Offenbarung greifbar wird, also gewissermaßen als männliches Gegenstück zur weiblichen Isais (Isaie). Von den sehr malerisch mit Musik und Lichteffekten und in Kostümierung veranstalteten isaisbündischen Mysterienspielen jener Epoche ist überliefert, daß die Einführung einer neuen Isais-Priesterin durch eine als Abraxas kostümierte Person vorgenommen wurde.

Livia - Abraxas

Wenn behauptet wird, daß solche Mysterienspiele nicht selten ins Orgiastische ausuferten, so könnte das nicht bloß aus der Luft gegriffen sein, bei manchen gnostischen Formationen war es ganz sicher so, doch ob so etwas auch auf Isaisbünde jener Zeit übertragen werden kann, ist ganz einfach unbekannt.

Mit dem ursprünglich wahrscheinlich rein geistigen Abraxas-Motiv dürfte dergleichen nicht mehr viel gemeinsam gehabt haben. Genau weiß man es allerdings nicht, vieles auf diesem Feld liegt unter den Schleiern der Jahrtausende und Jahrhunderte verborgen. Aus jüngerer Zeit gibt es keine Hinweise darauf, daß „Abraxas" in personifizierter Form bei Mysterienspielen aufgetreten sei. Als ein Symbol dafür aber, daß eine Frau oder ein Mann als vollwertiges Mitglied in eine Isais-Vereinigung aufgenommen worden war, galt sicher im Ordo Bucintoro und auch noch im Leona-Kreis ein Siegelring oder Schmuckstück mit Abraxas-Bild. Diese Tradition hat sich also insofern bis in die Gegenwart fortgesetzt (isaisbündische Originalvorlagen aus neuerer Zeit werden auf Wunsch der Besitzer/innen nicht abgebildet, zumal in solche stets persönliche Initialen eingraviert sind, sie unterscheiden sich von den alten aber auch nur unwesentlich).

Vor all solchen Riten und Abraxas-Anschauungen hat etwas anderes gestanden, der Ursprung im alten Iran, der in Verdopplung dargestellte Greif als Sinnbild für den Kampf zwischen Licht und Finsternis, das Zeichen für den schließlichen Sieg des Lichts. Dabei dürften magische Traditionen des Mithras-Kults und solche des Zoroaster-Glaubens zusammengeflossen sein. Niemand kann das heutzutage noch genau sagen, zuviel ist inzwischen verlorengegangen an alter Weisheit.

An dieser Stelle den Mithras-Kult abzuhandeln, würde den Rahmen unseres Themas hier sprengen, wir werden über Mithras bei Gelegenheit gesondert sprechen. Im übrigen darf in diesem Kreise sicherlich angenommen werden, daß die Grundzüge des Mithras-Kults bekannt sein werden. Diese unterschieden sich bekanntlich in vielem von der Lehre Zoroasters, die allerdings auch aus keinem unverfälschten Originalzeugnis mehr zugänglich ist. In den Grundzügen darf aber wohl gesagt werden – zugegeben, jetzt stark vereinfacht – daß es im Wesen der alt-iranischen Glaubenswelt lag, einen unablässigen Kampf zwischen Licht und Finsternis erkannt zu haben. Dies trifft – bei aller Verschiedenheit im einzelnen – auch auf sämtliche gnostischen Gruppierungen zu, einschließlich der Isaisbünde, wenn wir diese einmal zu den gnostischen Formationen zählen wollen. Dieses Motiv ist bei den Gnostikern sicher durch das Wirken Marcions noch erheblich verstärkt worden. Den großen interkosmischen Kampf, der diese Welt beherrscht, gilt es, zu bestehen.

Ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen den gnostischen Sekten und den Isaisbünden – wie auch zwischen der Gnosis und mancher alt-iranischen Sicht – bestand aber darin, daß die Gnostiker in ihrer individuellen Erlösung, im persönlichen Heil, das Ziel ihres Weges sahen, während in den Isaisbünden das Wirken für das absolute Licht das Ziel war, wodurch, quasi indirekt, auch das persönliche Heil erlangt werden würde.

Hier liegt eben das Besondere der Isais-Anhängerschaft: dieser geht es nicht um das persönliche Wohlbefinden und Seelenheil, sondern ihr geht es um das Heil des größeren Ganzen, um den Sieg des Lichts in dem großen Kampf mit der Finsternis. Diesem Ziel gilt jede Anstrengung; auch der persönliche Erkenntnisweg hat den Zweck, die eigenen Fähigkeiten für die große Auseinandersetzung zu erweitern. Schon aus diesem Grunde können die Isaisbünde nicht den gnostischen Sekten zugerechnet werden, in denen es – wie in allen Religionen, ob Buddhismus, Hinduismus, Christentum, Judentum, Islam etc. – letztlich immer nur um das egozentrische Erlangen des eigenen Heils geht, ob verbrämt oder unverbrämt.

Dagegen ist die isaisbündische Auffassung, daß, wenn das große Ziel erreicht wird, quasi automatisch auch alle kleinen Ziele erreicht werden. Das ist der Isais-Geist, wie er auch im Ordo Bucintoro und in den neueren isaisbündischen Vereinigungen herrschte.

Zumindest ähnlich dachten auch Teile des alten Templerordens, wie namentlich die Geheimwissenschaftliche Sektion. Darum ist es wohl auch kein Zufall, wenn dort eine gewisse Verwandtschaft zu Vorstellungen anzutreffen war, die ihren Ursprung in den Isaisbünden der gnostischen Zeit haben dürften, so wie beide einige Anknüpfungspunkte im alten Mesopotamien hatten.

Dort, zwischen sumerischen Ruinen, fand der Archäologe und Altorientalist P. Schnabel auch die früheste erhaltene „Figura", die ihrer Grundform nach bereits der der späteren Templer-Figuri entsprach. Allerdings bestand diese sumerische „Figura" aus gebranntem Ton. Wo sich diese heute befindet, ist unbekannt, lange Zeit über wurde sie in einem Museum in Bagdad aufbewahrt. Der Erhaltenszustand der Figur ist nicht sehr gut, das Foto, welches Schnabel in seinem Werk „Sumerer und Semiten in Mesopotamien" veröffentlichte, steht uns leider jetzt nicht zur Verfügung, wir werden dieses Bild aber zu einem späteren Zeitpunkt bringen.

Dies ist nun interessant in Zusammenhang mit dem Ursprung von Abraxas, denn es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, daß in der persischen Darstellung des Doppel-Greif etwas Ähnliches zum Ausdruck gebracht werden sollte wie mit der „baphometischen" Templer-Figura.

Doppelgreif Persepolis

Bilddarstellungen des Doppel-Greif sind im alten Iran häufig gewesen. Über ihre spirituelle Bedeutung herrscht seitens der Fachwissenschaft Uneinigkeit. Da in prinzipiell ähnlicher Form auch Doppel-Stier-, oder Stier-Kuh-Darstellungen vorkamen, neigt ein Teil der Wissenschaftler dazu, darin lediglich dekorative Elemente zu sehen, während andere spirituelle Verbindungen zu Mithras und Zoroaster (Zarathustra) suchen. Was heutzutage aber an Schriften dazu überliefert ist, steht den Originaltexten (Avesta etc.) mit Sicherheit schon sehr fern. Die einzige einigermaßen griffige Spur führt zu den Parsen in Indien. Also ist viel mehr als einigermaßen schlüssiges Spekulieren diesbezüglich nicht möglich.

Wenn wir aber einmal einige Faktoren zusammenziehen wollen – was zugegebenermaßen zum Teil sehr gewagt ist -, so kann sich ungefähr das nachstehend skizzierte Bild ergeben:

Der iranische „Ur-Abraxas" war eine Adaptation des Doppel-Greif, von der wir, mangels einer gut erhaltenen Vorlage, aber nicht genau wissen, wie sie ausgesehen hat.

Die griechische Gnosis entwickelte daraus den Abraxas in der bekannten Form des Solaren Hahns.

Diesen wiederum benutzten sowohl die Isaisbünde wie auch einige Templer-Sektionen als Sinnbild für den siegreichen Kampf des Lichts gegen die Finsternis, gleichsam als ein Symbol des Siegs des Neuen Zeitalters.

Die Alchymisten stolperten auf dem Irrweg der „Chymischen Hochzeit" (also der vermeintlich möglichen und anstrebenswerten Vereinigung männlicher und weiblicher Komponenten in sich selbst, die es so aber nicht gibt) dahin, ohne den tieferen Sinn hinter den Doppel-Bildern verstanden zu haben. Einige wenige von ihnen jedoch, wie namentlich der „gekrönte Adept" Kaiser Rudolph II., kamen dem wahren Sinn hinter dem Sinn nahe, erfaßten diesen womöglich sogar.

Die frühe arische Kultur Indiens hat das Motiv der männlich-weiblichen Gottkraft sicher ebenfalls gekannt, doch auch diese Überlieferungen sind nicht erhalten, da im Laufe der Zeit Variation über Variation der alten Texte gesetzt wurde, die frühesten aber nicht mehr vorhanden sind – wahrscheinlich wurden diese von der Priesterschaft sogar gezielt zerstört, um ihre jeweils neuen Lehren gegenüber dem Volk als die einzigen erscheinen zu lassen.

Der Weg zur Figura

Die Verbindung aus männlichen und weiblichen Schwingungskräften, wie sie – ehe es profan mißgedeutet wurde – auch das ostasiatische Yin-Yang-Symbol gemeint haben dürfte, haben erst die Geheimwissenschaftlichen Templer um 1230 mit der Idee der Magna Figura wirklich verstanden. Damals wurde wohl der wahre Sinn des Ursprungs wiedergefunden. Ob dies aufgrund direkter Inspiration geschah oder dank richtigen Verstehens alter Vorlagen, mag jetzt offen bleiben. Vermutlich darf eine Kombination aus beidem angenommen werden.

Asien - Europa

Kehren wir nun zurück zur Gnosis, besonders zu den sowohl durch Marcion einerseits wie auch durch Isais-Ideen andererseits beeinflußten Gruppierungen, so ist es unübersehbar jenes Motiv, das zum Ursprung frühester Erkenntnis leiten konnte.

In der obersten Gottheit vereinigen sich Allvater und Allmutter; und dies durchaus so, wie es mit der Ilu-Parakosmologie harmoniert.

Wenn wir in den kommenden Monaten weiter und tiefgehend über die Gnosis sprechen werden, so wird sich zeigen, daß tatsächlich verblüffend viel Gnostisches mit Ilu-Lehre und Isais-Geist Hand in Hand geht; und das kann selbstverständlich nicht bloß zufällig so sein. All dies wird uns also noch viel beschäftigen.

Abraxas Neu 22

Bild und Sinnbild ABRAXAS aber – auch wenn durch die Gnosis am meisten bekannt – beinhalten eine ältere und tiefsinnigere Bedeutung als das, was die meisten Gnostiker als das Wesentliche darin angesehen haben.

       
               
               
     

       
               
               
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