Ueberblick

Aus

Ein

mailto:info@causa-nostra.com

Rundblick

Ausblick

Einblick

Rückblick

Überblick
     
   

Einblick 

     

Die Templer 
Teil 3

       
     
       
     

Die Templer Teil-3

       
     
       
      Die Templer  (Gesamtgeschichtliche Schau 3. Teil)

„Esōterikós"

Im vergangenen Monat haben wir die militärischen Taten der Templer behandelt. Es gibt noch viel über die allgemeinen Aspekte des Ordens zu sagen, wie etwa über Details seines Entstehens, die ökonomischen Ideen sowie später die Templer-Prozesse. Heute aber wollen wir in den Kern des Ganzen schauen.

Wo das Thema „Die Templer" heißt, führt an esoterischem Denken kein Weg vorbei. Ohne diesen ganz speziellen Aspekt würde sich kaum jemand für die Templer interessieren. Aus militärischer Sicht wäre der Deutsche Ritterorden mit seiner Ordensstaatgründung interessanter. Was die Templer so faszinierend erscheinen läßt, sind ihre geheimwissenschaftlichen, ihre esoterischen Komponenten. Wer diese nicht in gebührender Weise wahrnähme, würde Geist und Geschichte des Templerordens nicht verstehen. Die größten schöpferischen Denker der Menschheit sind de facto Esoteriker und Spiritualisten gewesen, was naturgemäß untrennbar miteinander verbunden ist Das gilt schon für die meisten und bedeutendsten griechischen Philosophen. Esōterikós ist in fast allen großen Menschheitswerken lebendig – von Platons Τίμαιος (Timaios) und Dante Alighieris La Divina Commedia, bis zu Richard Wagners Parsifal – um nur drei von vielen großen Namen zu nennen. Die größten Werke der Menschheit würden ohne die Hinwendung zum Spirituellen und Esoterischen niemals entstanden sein. Sich damit zu befassen, ist gewiß nicht unwissenschaftlich, denn Wissenschaft ist ja das, was Wissen schafft – nicht bloß, was schon Vorhandenes zitiert und adaptiert, wie es heutzutage allzu häufig der Fall ist. Wahre Wissenschaft erfordert die Kühnheit, in unbekanntes und ungesichertes Terrain vorzustoßen. Und natürlich: In das Reich des Spirituellen, des Esoterischen, in jene geheimnisvollen Regionen, in denen vieles unter Schleiern des mitunter Unergründlichen verborgen liegt. Dies zu tun entspricht gleichsam dem Faustischen Wesen. Allein in diesen Gefilden ist zu entdecken, was wirklich weiterführt, was den erkenntnisfähigen Geist des Menschen zur vollen Entfaltung bringt; und dies anzustreben, ist das Besondere am Templerorden gewesen. Das war und ist es, was den Unterschied zwischen geistiger Enge und dem Denken mit unbegrenztem Horizont ausmacht. Genau dies spüren viele Menschen, selbst wenn es ihnen an Detailkenntnis noch fehlt.

Der Templerorden war eine durch und durch esoterische Gemeinschaft. Allerdings im wahren Sinne des Wortes Esōterikós. Was dagegen in „Eso-Shops" etc. gehandelt oder im Internetz als „Esoterik" feilgeboten wird, hat mit Esoterik im ursprünglichen Sinne meist kaum etwas zu tun. Esoterik - von altgriechisch ἐσωτερικός: esōterikós: „innerlich" – meint ja ein Wissen, das nicht öffentlich zugänglich ist, sondern im inneren Kreis einer Gemeinschaft lebt (im Gegensatz zu Exoterik). Die Templer waren Esoteriker im ursprünglichen Sinne. Sie wollten ergründen, was über dem Sichtbaren steht. Und dabei führte der Weg ihres Denkens sie über die Begrenzung durch das damals Erlaubte hinaus. Sie sprengten die Ketten, welche den Menschen durch die Bibel angelegt waren. Namentlich die Geheimwissenschaftler unter den Templern taten dies in einer Weise, die noch weit über die Gedanken des Eckhart von Hochheim (Meister Eckhart, 1260-1328) hinausgingen. Aber natürlich war es kein Zufall, wenn auch Meister Eckart zur Zeit der Templerprozesse von der Inquisition wegen Häresie angeklagt wurde. Zweifel an der vollkommenen Richtigkeit der Lehren der Kirche und neue Ideen lagen zur Zeit der Templer offenbar in der Luft. Allerdings auf gegenteilige Weise wie Jahrhunderte später in der Epoche der Aufklärung, welche die Templer sicherlich als Verdunklung des geistigen Vermögens im Menschen gewertet haben würden. Die spirituelle Bewegung, die es im Mittelalter gab – wie bei den Katharern und dann bei den Templern -, wollte das Übernatürliche erfassen. So kann es nicht Wunder nehmen, wenn verschiedene Quellen auch von Kontakten zwischen Meister Eckart und der Templer-Großmeisterei in Paris wissen wollen. Inwieweit Eckard mit Villneuve du Temple in Verbindung gestanden haben mag, ist heute nicht mehr ergründbar. Daß da aber zumindest eine Korrespondenz bestanden hat, kann durchaus mehr als Legende sein. Eckards Auffassungen hätten mit denen der geheimwissenschaftlichen Templer in Wien zwar nicht harmoniert, denn diese waren sehr viel radikaler, doch zu den relativ gemäßigten Glaubensvorstellungen der Templer in Paris hätten Meister Eckards Ideen wohl zumindest teilweise gepaßt. Wenn ihm zur selben Zeit wie den Templern in Avignon der Prozeß gemacht wurde, dessen Abschluß er nicht erlebte, so ist dies womöglich doch kein Zufall gewesen. Aber die mystische Philosophie des Meister Eckard bestand unabhängig von den Templerideen. Sie unterschieden sich auch in vielem von diesen. Markant bleibt auf alle Fälle die Zeitgleichheit.

Möglicherweise haben die inzwischen weitgehend verschollenen, resp. durch die Kirche vernichteten, Lehren der Katharer im Mittelalter einen noch weitaus stärkeren Einfluß ausgeübt, als sich heute nachweisen läßt. Vieles von dem, was die Katharer wirklich glaubten und dachten, liegt allerdings im Dunkel. Abgesehen davon, daß sie das Alte Testament ablehnten, was objektiv gesichert ist, beruhen die meisten heutzutage üblichen Annahmen bezüglich des Katharerglaubens nicht auf Originalzeugnissen von diesen, sondern auf teilweise absurden und oft in sich widersprüchlichen Behauptungen der Kirche. Ein Beispiel dafür ist die Behauptung, die Katharer hätten mit Hinweis auf die angebliche „Erbsünde" Adams und Evas die Fortpflanzung abgelehnt, was schlichtweg Unsinn ist, denn belegt ist vielmehr, daß die Katharer das Alte Testament verworfen haben – und ausdrücklich auch den Vorwurf der „Erbsünde". Gesichert ist auch, daß Frauen bei den Katharern einen hohen Stellenwert genossen. In anbetracht der verwirrenden Quellenlage ist bei Publikationen über die Katharer also Vorsicht geboten, zumal auch hier, wie beim Thema Templer, mitunter gegenwartsideologische Motive einfließen, und so etwas pflegt einer nach bestem Vermögen objektiven Darstellung stets abträglich zu sein. Die verfügbaren als zuverlässig einzuschätzenden Materialien über die Katharer sind dünn gesät, obschon es etliche einzelne Mosaiksteinchen dazu gibt. Sicher ist, daß ihre Vorstellungswelt für die Templer von großer Wichtigkeit war. Die Katharer verwarfen das sogenannte Alte Testament der Bibel. Sie nannten sich selbst „veri christiani" (wahre Christen). Sie verfochten ein dualistisches Weltbild, das auf alle Fälle stark marcionitische und gnostische Elemente enthielt. Umstritten ist, ob auch der Manichäismus eine gewichtige Rolle bei den Katharern spielte, jene antike Offenbarungsreligion aus Persien, welche nach ihrem Gründer Mani (212-277) den Namen erhielt. Auch das würde aber ins Gesamtbild gepaßt haben. Angenommen wird ein bogomilischer Einfluß. Auch die Lehre der Bogomilen (wahrscheinlich vom slawischen Богомил, Gottlieb) erinnern stark an die Auffassungen Marcions. Die waren eine häretische Bewegung mit dualistischer Vorstellungswelt. Die Bogomilen breiteten sich von Bulgarien kommend im X. bis XV. Jahrhundert im byzantinischen Reich aus. Es ist durchaus denkbar, daß auch von dort Inspirationen zu den Katharern gelangten. Okzitanien hatte eine lange Mittelmeerküste mit regem Schiffsverkehr. Somit gab es lebhafte Kontakte mit Italien, Zypern, Griechenland und dem Orient. Keine Frage, daß viele Nachrichten dort nach Okzitanien gelangten – aber vermutlich auch einzelne Flüchtlinge aus anderswo verfolgten Glaubensgemeinschaften. In bedeckten Zirkeln hatten sich ja namentlich kleine gnostische Gruppen noch lange gehalten. Beispielsweise in Venedig gab es noch im VI. Jahrhundert einen gnostischen Geheimbund, der sich sogar zu erneuern verstand. Gut denkbar also, daß durch Begegnungen mit Verfolgten alte Schriften aus den beiden ersten Jahrhunderten, welche den Flüchtlingen heilig waren, nach Okzitanien gelangten und dort auf fruchtbaren Boden fielen. Schon in der Kreuzzug-Ära hatte gerade dieses Land besonders engagierte Gottsuchende hervorgebracht. So schwierig die Katharer im einzelnen auch erfaßt werden können, müssen wir sie doch gut betrachten, wenn wir über die Templer sprechen. Aus der Bezeichnung Katharer (abgeleitet vom Griechischen: καθαρός, katharós, „rein") machte die Kirche übrigens über den sprachlichen Umweg „Cathari" in Deutschland das Wort „Ketzer". Speziell das westliche Deutschland ist ja auch eines der katharischen Kernländer gewesen. Fest steht: Die Katharer waren die größte christliche Laienbewegung des Mittelalters. In mancherlei Hinsicht durchaus mit den Marcionitern der ersten Jahrhunderte zu vergleichen – auch hinsichtlich einer gewissen Schicksalsgemeinschaft. Der Ursprung der Katharer lag zwar in Okzitanien, also im südlichen Teil Frankreichs. Doch sie waren weit darüber hinaus im XII. bis XIV. Jahrhundert eine starke häretische Bewegung mit deutlich marcionitischen Zügen. Der Ausgangspunkt in Südfrankreich hat auch zu der Bezeichnung Albigenser geführt, mit Bezug auf die Stadt Albi im Départements Tarn, Region Midi-Pyrénées. Die erste historisch gesicherte Feststellung von Katharern ist allerdings 1143 in Köln dokumentiert. Sie waren in Deutschland stark. Das Katharertum hatte sich von Südrankreich aus in alle Himmelsrichtungen verbreitet, vor allem nach Oberitalien, Deutschland und Spanien. Somit entwickelte es sich zu einer ernstzunehmenden Bedrohung für die Kirche. Deren biblische Dogmen gerieten mancherorts schon ins Wanken. Die Kirche rief daher zu einem Kreuzzug gegen die Katharer auf, welcher zwischen 1209 und 1310 stattfand und mit großer Grausamkeit durchgeführt wurde. Der Templerorden beteiligte sich in geradezu demonstrativer Weise nicht daran. Dies rückte ihn zum ersten Mal in ein der Ketzerei verdächtiges Licht. Helfen konnten die Templer den Katharern allerdings nicht. Dazu war der Orden zu schwach; er hätte ja praktisch einen Krieg gegen sämtliche herrschenden Mächte des Abendlands führen müssen. Daß Templer aber den bedrängten Katharern auch unter hohem Risiko halfen wo irgend möglich, steht außer Frage. Einige der bis auf den heutigen Tag lebendigen Templergeheimnisse nahmen in jener Zeit ihren Anfang. Wahrscheinlich übergaben die Katharer das meiste an Heiligtümern und wertvollen Texten, was sie besaßen, an die Templer, soweit das unter den schwierigen Umständen möglich war. Bei diesen durften sie sicher sein, daß nichts davon in die Hände ihrer Feinde geraten würde. Vermutlich gehörte auch der Kelch „Gral" zu den an die Templer weitergereichten Katharer-Schätzen. Das viele vergebliche Suchen nach diesem sagenumwobenen Gegenstand – wie auch beispielsweise die Unternehmungen Otto Rahns – erklärt sich vermutlich daraus, daß die Katharer ihre überwiegend spirituell wertvollen Schätze bereits den Templern hatten zukommen lassen. Auch auf der selbst von Richard Wagner als „Gralsburg" definierten Festung Montségur gibt es daher wohl schon lange nichts Geheimnisvolles mehr zu finden. Das heißt aber eben nicht, all dies sei verloren. Im Gegenteil. Die Templer hatten aus dem Schicksal der Katharer offenbar Schlußfolgerungen gezogen. Ihre Schätze und spirituellen Werte vermochte später niemand zu finden. Wahrscheinlich wurde davon nie etwas in Villeneuve du Temple oder einer der großen Komtureien aufbewahrt, sondern stets an unauffälligen Orten. Daß vieles von alledem als häretisch gelten mußte, war ihnen selbstverständlich bewußt. Schon ihre Symbolik hatte da und dort leises Mißtrauen erweckt. Denn natürlich ist es kein Zufall, wenn das Ordenskreuz der Templer dem Katharer-Kreuz äußerst ähnlich war. Beide Kreuze gingen auf das Dornenkreuz der Marcioniter zurück. Und dieses Motiv leitet in den Mittelpunkt der Templergeschichte, welche weitgehend identisch mit den Templergeheimnissen ist.

Ein wesentlicher Teil aller Bemühungen des Templerordens war darauf angelegt, die ihrer Überzeugung nach vertuschte Wahrheit Christi zu finden und einen wahrhaft christianischen Glauben zu erneuern. Dabei erzielten die Templer auch Resultate. Bald verstanden sie sich als Hüter eines speziellen, höheren Wissens, welches ihnen durch göttliche Fügung zuteilgeworden war, gleichsam als eine Gruppe von Menschen, die den Schlüssel zum Weg geistiger Erkenntnis besitzt. Sie glaubten aber, die Zeit sei noch nicht reif, dies nach außen zu tragen. Erst wenn die neue Zeit gekommen sein würde, die sie erwarteten, sollten ihre Erkenntnisse allen Menschen zugänglich gemacht werden. Diese neue Zeit aber, das wußten sie alle, lag noch fern. Da die damals verschiedenen christlichen Zeitrechnungen unsicher waren, nach früher Überlieferung sogar falsch, benutzten die Geheimwissenschaftler unter den Templern gern die alte römische (ab urbe condita). Nach frühchristlicher Überlieferung wurde Jesus Christus am 19. Dezember des Jahres 749 römischer Zeitrechnung geboren, was dem Jahr 5 vor Christi Geburt der auch heute gültigen Zeitrechnung entspricht. Demnach hinkt diese um fünf Jahre nach. Für das Ermitteln der „Zeit des neuen Reichs" der Templervorstellung war das wichtig. Dieses steht gleichsam in Zusammenhang mit dem heutzutage vielbesprochenen „Neuen Zeitalter", welches selbsternannte „Esoteriker" fälschlich als „Wassermannzeitalter" bezeichnen, während es, richtig, Wasserkrugzeitalter heißen muß; denn es steht in Verbindung mit dem Sternbild Crater (Becher). Auch dies geht auf weitaus älteres, antikes, gnostisches und marcionitisches Wissen zurück. Daß solches auch die Katharer besaßen, beweist u.a. das Wappen von Villerouge de Temenès. Es zeigt das Dornenkreuz über dem Wasserkrug neben Bahnen, welche wohl das Widerstreiten von Licht und Finsternis versinnbildlichen. Lauter Motive der Templer-Geheimlehren.

In seinen Anfängen war der Templerorden ohne Frage strikt katholisch. Das Wort des Papstes galt den Rittern als lauter und wahrhaftig, den Inhalt der Bibel zweifelte keiner von ihnen an. Sie glaubten, was zu glauben ihnen beigebracht worden war. Keiner der Männer, die (wahrscheinlich) um die Jahreswende 1117/1118 einen Orden zu gründen beschlossen, hätte sich zu diesem Zeitpunkt wohl vorstellen können, daß schon wenige Jahrzehnte später eine unsichtbare Frontlinie zwischen Ihnen und der offiziellen Theologie verlaufen würde. Doch es geschahen unerwartete Dinge. Die Hand Gottes, wie der engste Kreis der Tempelritter meinte – oder das namenlose Schicksal – spielte ihnen Kenntnisse aus der Zeit Christi und den ersten beiden Jahrhunderten zu, die alles umstürzten und als Lüge enthüllten, was sie bis dahin für unerschütterliche Wahrheit gehalten hatten. War Jesus Christus der Sohn des Hebräergottes Jahwe, wie die Bibel behauptet? Nein! Es gab auch ganz andere, glaubwürdigere Darstellungen, untermauert durch Quellen, die älter waren als die Texte des sogenannten Neuen Testaments der Bibel, und älter als die Kirche. Im ersten und im zweiten Jahrhundert hatte es ganz andere Sichtweisen auf Christus gegeben! Das alles war weitgehend verloren, die Zeugnisse von damals so gründlich wie möglich vernichtet, und die Träger der anderen, älteren Auffassungen getötet worden. Erst beim Konzil von Nicäa im Jahr 325 wurden vier kaum noch mehr mit dem einen Urevangelium in Verbindung stehenden Schriften als „Neues Testament" kanonisiert, die dem wahren Wort und Wirken Christi offenkundig unendlich fern standen. Das hatten viel ältere Quellen den Templern nun gezeigt. Vom ursprünglichen, wahren Evangelium blieb fast nichts erhalten, ebensowenig von den echten Apostelbriefen. Und doch hatte es das alles gegeben – und wahrscheinlich lag darin die unterdrückte Wahrheit. Die Suche nach der Wahrheit Christi sollte zur wichtigsten inneren Aufgabe des Templerordens werden. Alle Ideen, die sie entwickelten, entsprangen direkt oder indirekt dieser Bemühung. Einige Templerformationen schossen schließlich sogar über dieses Ziel hinaus.

Wieso kam es zu solch einer ungewöhnlichen Entwicklung:

Im Jahre 1129 gestattete König Balduin II. von Jerusalem-Outremer der jungen Rittergemeinschaft, die sich „Arme Ritter Christi" (Paupere Militie Christi) nannte, einige Teile des „Tempels von Jerusalem", wie die Al-Aqsa-Moschee gern bezeichnet wurde, als Quartier zu benutzen. Seitdem nannte der Orden sich: Arme Ritter Christi und des Tempels Salomonis zu Jerusalem (Pauperes commilitones Christi templique Salomonici Hierosalemitanis). Das trug ihnen den Namen „Templer" ein – und es brachte sie mit den ersten Dokumenten jener erweiterten Erkenntnis in Berührung, die fortan die Ordensgeschichte bestimmen sollte. Beim Ausbau der teilweise maroden Räume im und beim „Tempel", welche zu beziehen Balduin II. den Rittern gestattet hatte, fanden sie mehrere Dokumente, die sichtlich sehr alt waren. Es handelte sich um kleine Stücke, beschrieben in Aramäischer oder Hebräischer Schrift. Keiner der Ritter kannte diese Sprachen. Es war entweder klug gedacht oder ein glücklicher Zufall, daß sie keinen der ihnen nahestehenden Priester um Rat fragten, sondern einen jüdischen Händler, der sie regelmäßig mit Alltagsbedarf versorgte. Dieser Mann war nicht sonderlich religiös. Er erklärte ihnen daher unbefangen, daß es sich bei den aufgefundenen Dokumentenstücken um Notizen von Eschaimin (Spionen) der jüdischen Priesterschaft aus der Zeit Christi handle. Die Niederschriften der Spione berichteten über die Lästerungen, welche der Nazarener Mamzer (Bastard/Hurensohn) gegen den Gott Israels verbreitete, indem er sagte, dieser sei kein Gott, sondern der oberste der Teufel. Er dagegen, der Nazarener Mamzer, sei selber der wahre Gott, und er sei an diesem Ort in Menschengestalt erschienen, weil allein hier der Satan als alleiniger Gott verehrt werde, er, der nazarener Mamzer, den Menschen aber zeigen wollte, wie der wahre Gott wirklich ist, nämlich ganz anders als Jahwe. Da die Bezeichnung „Mamzer" noch heutzutage im Judentum für Christus verwendet wird, dürfte in den Notizen der Eschaimin tatsächlich vom historischen Jesus Christus die Rede gewesen sein. Es bestand damals also ein Nachweis für dessen historische Existenz, der heutzutage fehlt. Für die Richtigkeit all dessen sprechen auch gewisse noch erhaltene Stellen im Neuen Testament, die mit den Aussagen der Eschaimin-Notizen in Einklang stehen. So etwa im Johannes-Evangelium der Vers 8.44, in dem Christus den Juden sagt: „Ihr habt den Teufel zum Vater." Der jüdische Händler hatte alles korrekt übersetzt, das Ganze im übrigen aber nicht für wichtig genommen. Ein glaubenseifriger Jude oder ein Vertreter der Kirche würde die Dokumente vermutlich gleich vernichtet oder unter Verschluß gebracht haben, da ihr Inhalt den gängigen Lehren entgegenstand. Für die fromme Ritterschaft muß die aufgrund der alten Notizen gewonnene Erkenntnis wie ein Donnerschlag gewesen sein: Der vermeintliche Gottvater kein Gott, sondern der Satan! Und Christus also nicht dessen Sohn, sondern die Menschwerdung des wahren, ansonsten unbekannten Gottes! Oder vielleicht nur ein guter, tapferer Mensch? Denn: würde ein Gott nicht triumphal vom Kreuze gestiegen sein, um anschließend die Pharisäer und all seine Feinde zu vernichten? Und der Allah der Moslems konnte dann auch kein anderer als der Satan sein, fußte der Koran doch auf demselben Pentateuch wie das Alte Testament der christlichen Bibel. Das konnte erklären, wieso Christus den Satan als den „Fürsten dieser Welt" bezeichnete.

Was die Ritter damals dachten und empfanden, können wir Heutigen uns nur auszumalen versuchen. Nachzuempfinden vermögen wir es wohl nicht.

Bei aller Verwirrung, in welche all dies die Ritterschaft gestürzt haben muß, verhielten sie sich doch so klug, ihre Erkenntnis unter strenge Geheimhaltung zu stellen. Von einem neuen Glauben konnte bislang auch keine Rede sein. Vieles wollte erst noch ergründet werden. Der erste, der dazu einen wichtigen Beitrag leistete, war Hugo von der Champagne. Ihm gelang es, einige erste Katharer-Schriften zu beschaffen, deren Inhalt zu den aufgrund der Eschaimin-Texte gewonnenen Erkenntnissen paßte. Die Schriften der Katharer beriefen auf den griechischen Urchristenführer Markion (Marcion). Das Zeichen der Marcioniter war das rote Dornenkreuz – genau wie später das der Katharer. Der Legende nach hatte die Mutter Christi aus vier Dornen der Dornenkrone ein kleines Kreuz gebastelt. Dieses Dornenkreuz wurde später zum Ursprung aller Ritterkreuze. Bis dahin hatten die Templer ein schlichtes römisches Kreuz als ihr Zeichen benutzt. Von nun an wurde es das rote Dornenkreuz Marcions.

In den kommenden Jahren gelang es den Templern, weitere marcionitische Spuren zu finden. Man wußte inzwischen, Marcion hatte während jener Jahre, in denen er verfolgt wurde, zeitweilig die Ruinen von Karthago als Versteck benutzt. Von dort aus war er dann nach Zypern gezogen und hatte eine der größten Christengemeinden seiner Zeit geschaffen, bis er bei einem Besuch in Rom ermordet wurde. Sowohl auf Zypern wie auch an der alten Stätte Karthagos wurde also gesucht. Und es wurde auch manches gefunden!

An dieser Stelle müssen wir nun einen Ausflug in die ersten Jahrhunderte unternehmen, in die Zeit, da verschiedene christliche und gnostische Strömungen einander heftig bekämpften. In diesen Auseinandersetzungen wurde entschieden, welches Gesicht Europa annehmen würde. Somit also auch, ob mehr als 1000 Jahre später eine Rittergemeinschaft wie der Templerorden entstehen würde oder nicht. Da die Templer ihren quasi mystischen Anfang im I. Jahrhundert sahen, gehört es auch zu ihrer Geschichte, was in der frühesten Phase des Christentums geschah.

Ein Blick zurück durch die Zeit zeigt: Noch im zweiten Jahrhundert war offen, welche Richtung sich durchsetzen würde. Obschon eine der miteinander streitenden Gruppen den Vorteil großer finanzieller Möglichkeiten auf ihrer Seite hatte, und außerdem über eine gute organisatorische Struktur verfügte, war noch nichts entschieden. Ob die stärkste Formation auch die Wahrheit und höchste Weisheit besaß und verbreitete, ist mehr als zweifelhaft. Diese Richtung setzte sich jedenfalls durch, und aus ihr ging die Kirche hervor. Eine entscheidende Rolle spielte dabei Clemens Flavius Romanus, welcher als „Bischof der Bischöfe" de facto der erste Papst war. Die hinsichtlich der weltlichen Mittel stärkste Gruppe in der großen Auseinandersetzung der beiden ersten Jahrhunderte war also jene, die wir als die judenchristliche bezeichnen können. Sie hatte das Evangelium Christi dergestalt adaptiert, daß es sich als „Neues Testament" mit dem „Altes Testament" genannten Hebräerschriften zusammenfügen ließ. Dies sollte den Aufbau eines irdischen Machtapparats erlauben, was mit den Worten Christi nicht möglich gewesen wäre. Dagegen standen jene christlichen Gruppen, die eine Verquickung der Gestalt des Jesus Christus mit dem Judentum für irrig hielten und jede Verbindung zum sogenannten „Alten Testament" entschieden ablehnten. Eine dritte Position nahmen die Gnostiker ein. Sie betrachteten (soweit es sich um christliche Gnostiker handelte, denn es gab auch weiterhin eine heidnische Gnosis) Christus als eigenständig und sahen in ihm die Menschwerdung des wahren, bis dahin unbekannt gewesenen Lichtgottes. Der jüdische Jahwe wurde von den Gnostikern entweder als Demiurg angesehen, also als negativer Weltschöpfer, oder aber als der Satan (Widersacher Gottes). All diese Gruppierungen hatten ihre eigenen Vorstellungen und Lehren. Auch die urchristlichen Gemeinschaften waren nicht homogen. So standen dem gut organisierten judao-christlichen Block als zahlreiche eigenständige Gruppen gegenüber. Zu diesen sind, auf der gnostischen Seite, auch die Isaisbünde zu rechnen, heidnisch ausgerichtete Geheimbünde, die meist überwiegend weibliche Mitglieder hatten und stets von einer Priesterin (Sacerdotessa) angeführt wurden. Darüber sind die Freundinnen und Freunde von CN gut informiert. Inwieweit solche Strömungen den Templerorden beeinflußt haben – auch über die Geheimwissenschaftliche Sektion hinaus – läßt sich nicht mehr feststellen.

Für die Templer war die wichtigste Person jener Epoche gewiß Marcion. In der geheimwissenschaftlichen Sektion und in Okzitanien spielten aber auch die Isaisbünde eine nicht unerhebliche Rolle. Darüber hinaus erlangte der Gnostiker Simon Magus eine gewisse Bedeutung, wenigstens in einzelnen Punkten. Und schließlich blieben auch Fragmente die Lehre des Mani nicht ohne Einfluß. Lauter Motive also, die bei den Katharern lebensfrisch wieder erscheinen sollten.

Mit großem Abstand am wichtigsten ist aus Templersicht Marcion gewesen. Daran kann kaum ein Zweifel bestehen. Mit ihm müssen wir uns jetzt beschäftigen, denn sonst werden wir die Geschichte der Templer nicht verstehen, und ebensowenig die der Katharer, deren Anstöße für den Templerorden so wegweisend waren.

Bei alledem ist es abermals außerordentlich wichtig, sich in die Glaubens- und Gedankenwelt der Ritter hinein zu versetzen, um nachempfinden zu können, welches Schockerlebnis die gewonnenen Erkenntnisse für die frommen Ritter bedeutet haben müssen, welche in den ersten beiden Jahrhunderte ihre Wurzeln hatten. Sicher brach zunächst eine Welt für sie zusammen – ja es brach wohl ihre ganze Glaubenswelt zusammen, in der und für die sie bis dahin gelebt hatten!

Nun wäre über von Marcion (Markion) zu berichten. Doch das haben wir bereits an anderer Stelle bei CN im Internetz getan, ebenso über Simon Magus. Dies brauchen wir also nicht zu wiederholen. Es bleibt lediglich erneut festzustellen, daß diese beiden – mit großem Abstand ganz besonders Marcion, für sie von Bedeutung waren.

Der Kern der Lehre Marcions soll nun nochmals in übersichtlicher Form zusammengefaßt werden: Die Bibel ist demnach weder ein historisches Dokument noch göttlich geoffenbarte Wahrheit. Sie ist vielmehr zum einen – das sogenannte Alte Testament betreffend – vom Teufel diktiert, welcher sich in Genesis 1.17 dem Abraham mit den Worten vorstellt: „Ani ha El Schaddai" - Ich bin El Schaddai. Zum anderen – was das Neue Testament genannt wird – handelt es sich um eine Fälschung, die schon in frühester Zeit systematisch betrieben wurde. Mit der Wahrheit hat das demzufolge wenig zu schaffen. Jesus Christus ist also nicht der „Sohn" des alttestamentarischen Jahwe. All dies erklärt gleichsam die diametrale Gegensätzlichkeit der Wesensarten von AT und NT. Im Neuen Testament sind aber noch einige Spuren der Wahrheit enthalten, nicht alles ließ sich gänzlich verfälschen. Christus ist demnach also die Menschwerdung eines unbekannten Gottes, des wahren Gottes, der alle Dinge erschaffen und alle Wesen belebt hat. Die wahre Lehre Christi, von der in der Bibel fast nichts mehr erhalten ist, lautete wohl im wesentlichen folgendermaßen. Die Menschen – wie auch alle anderen Lebewesen, die Tiere, die Pflanzen – sind nicht erschaffen worden. Sie sind mit und neben der Gottheit Wesen ewigen Seins. Der Anfang fand in der raumlosen Unendlichkeit und der zeitlosen Ewigkeit statt. Dies ist die rein göttliche Seinsebene, die wir nicht begreifen können, weil wir ohne Raum und Zeit nicht zu existieren vermögen. Darum hat die göttliche Macht für uns Zeit und Raum geschaffen. Und das war – für uns – der Anfang.  Seit aller Ewigkeit lagen Myriaden von Samen kommenden Lebens bereit. In diesem Stadium bestanden all jene Samen aus Schale und Kern. Die Schale entspricht der Seele, der Kern dem Geist; die Seele ist die Form, gewissermaßen der Astralkörper, der Geist hingegen ist der Charakter und sind die Begabungen. In diese noch leblose Zweiheit hinein gab die göttliche Macht ein Drittes: Die Kraft des Lebens. Mit der Belebung all der unzählbaren Samen wurde aus jedem Wesen die ewige Dreiheit Geist-Seele-Leben. Die Kraft des Lebens, die wir alle aus der Gottheit empfangen haben, ist unverlierbar – es gibt keinen Tod. Das Sterben ist nicht mehr, als ein Wechseln der Körperkleider, die dann in einer anderen Welt nach dem inneren Muster des Astralkörpers erneut aufgebaut werden. Es gibt auch keine Auslöschung des Ich-Bewußtseins im Sterben, kein Vergessen, wer wir sind, sondern ein bewußtes Übergehen von dieser in eine jenseitige Welt. Dort nimmt unser Leben dann seinen Fortgang.  Daß es überhaupt ein Sterben gibt, liegt bloß daran, daß wir einmal den Weg durch die grobstoffliche diesseitige Welt gehen müssen. Wieso? Weil wir einstmals ausgezogen sind aus unserer Urheimat, dem Gottesreich des ewigen Lichts, und dabei unsere himmlischen Leiber verloren, also die rein lichtstofflichen Umsetzungen unserer Astralkörper, um es einmal so auszudrücken. In der leeren Endlosigkeit konnten wir nicht existieren. Wir verloren unser Bewußtsein und sanken in einen Samenzustand zurück. Wir sind in gewisser Weise alle gefallene Engel!  Wie es dazu kam? Weil ein großer Engel zum „Schaddain" (El Schaddai/Jahwe) wurde, zum Verworfenen (Schaddain, sprachlich passend zu Schaden-Schatten-Shaddow etc, und El (ל) heißt Engel; die heutzutage gern vorgebrachte Behauptung. El Schaddai heiße, „Gott der Allmächtige", ist einfach falsch). Dieser gefallene Großengel, der selbst Gott sein wollte, zog mit einigen Anhängern aus dem Reich des ewigen Lichts aus, um sich seine eigene Welt zu bauen und dort Gott zu spielen. Dazu verwendete er jene untauglichen Stoffe, die er außerhalb des Himmelreichs vorfand. Was er schuf, war – die Hölle.  Von dort aus log er den im Reich des Lichts verbliebenen Engeln vor, seine neue Welt sei ganz großartig gelungen. Christus nennt ihn daher den „Vater der Lüge", wie es auch im 8. Kapitel des NT-Johannes-Evangeliums noch zu lesen steht. Etwa ein Drittel der Engel des Himmelreichs – unter diesen auch wir! – glaubten dem zum Satan gewordenen Großengel und machten sich auf den Weg. Doch, wie schon gesagt, diese alle – unter ihnen wir! – verloren dabei ihr Bewußtsein und ihren himmlischen Körper. Damit wir nun wieder zu uns kommen und uns erneut verkörpern konnten, schuf die göttliche Macht den diesseitigen grobstofflichen Kosmos mit der Erde – ein Provisorium, gewissermaßen. Doch dadurch wurde die notwendige Schwingungsgrundlage gegeben, die es ermöglichte, uns abermals aus dem Samenzustand zu entfalten. Während des Geschlechtsakts zwischen Mann und Frau wird eine Schwingung erzeugt und durch diese ein Same aus einer speziellen jenseitigen Sphäre angezogen, in der sich diese Samen befinden. Auch hierbei wirkt die Gesetzmäßigkeit der Affinität von Schwingungen. Das erklärt die Familienähnlichkeit.  In dieser Vereinigung der beiden Geschlechter wird göttliche Lichtkraft gezeugt. Unser Weg durch die grobstoffliche Erdenwelt ist also nötig, damit uns die Wiederverkörperung möglich wird – und dadurch der Weg zurück in die Urheimat, das Reich des ewigen Lichts. Es ist unsere Aufgabe, durch das Zeugen von Kindern auch anderen ‚gefallenen Engeln‘ diese Möglichkeit zu geben – es liegen noch viele Samen ohnmächtig in der Zwischensphäre. Nach unserem irdischen Sterben verlieren wir unser Bewußtsein nicht wieder, sondern wandern in das Jenseits hinein – auf eine Generalschwingungsebene, von welcher aus wir durch eine der zahlreichen jenseitigen Welten angezogen werden; und zwar von derjenigen, die unserer Geistesschwingung entspricht, so, wie wir sie uns während unseres Erdendaseins durch Gedanken und Taten erworben haben. Von dort aus können wir dann weiter wandern – in lichtere oder dunklere jenseitige Welten, unser Wille ist diesbezüglich vollkommen frei. Das von der Gottheit gesteckte Ziel ist jedoch die Heimkehr in die Urheimat, in das Reich des ewigen Lichts.

Diese Glaubenseckpfeiler beinhalten wahrscheinlich in der Tat, was in der frühesten Phase des Christentums gültig war. Diesen Ideen verwandte Überlieferungsfragmente lassen sich auch in anderen Kulturkreisen entdecken. Die parakosmologischen Grundprinzipien waren also schon früher nicht völlig unbekannt. Möglicherweise besteht auch eine Verbindung zu der babylonisch-assyrischen Glaubensrichtung der Kuthäer, welche mit der Besiedelung Samarias durch Assyrer unter Sargon II. nach Palästina gelangte. Eine dualistische Glaubensrichtung, die in manchem gnostische Auffassungen vorwegnimmt. Es ist zwar zweifelhaft, ob es die Religionsgemeinschaft der Kuthäer im I. Jahrhundert noch gab, doch sicher gab es die heidnische Gnosis, besonders im relativ nahen Alexandria. Ein historischer Jesus Christus, welcher, der Legende nach, in Ägypten als Schiffszimmermann gearbeitet hatte, könnte also leicht gnostisch Ideen aufgenommen haben. Daß er, anders als heutzutage gern propagiert, nicht aus dem Judentum kam, ist evident. Er kam aus Galiläa (Galal ha goiim = Ländchen der Nichtjuden), in dem Menschen unterschiedlichster Herkunft lebten. Der Name Jesu findet sich auch schon in Babylon und Sumer, er hat nichts mit Joshua/Jehoshua zu tun. Und Samaria war assyrischer Siedlungsraum, weshalb Nikodemus im NT richtig sagt, von dort könne kein (jüdischer) Prophet kommen. Für den gläubigen Christen sind solche Spekulationen über einen eventuellen historischen Jesus von Nazaret zwar unerheblich, sie runden das Bild des Möglichen jedoch ab.

In der Zeit der großen Auseinandersetzung zwischen den unterschiedlichen Glaubensrichtungen – vor allem zwischen Heidenchristentum und Judenchristentum, aber auch der Gnosis – entstand eine Vielzahl von spirituellen Bewegungen in der ganzen antiken Welt, und bei den meisten davon dürften die zuvor skizzierten Denk- und Glaubenssysteme eine Rolle gespielt haben. Auch jene gnostischen Gruppierungen, die ursprünglich auf einem Synkretismus aus abendländischen und orientalischen heidnischen Götterlehren beruhten, wanderten in den ersten Jahrhunderten in verschiedene christliche Vorstellungen ein. So entstand auch eine christianische Gnosis. Eine der bekanntesten dieser Gruppen wurde die eines Mannes aus Samaria, der sich Simon Magus nannte. Andere zu erwähnende Namen sind besonders Valentinos und Markos. Über deren genaue Lehren ist wenig bekannt. Viele der von den Gnostiker-Gegnern aufgestellten Behauptungen dürfen in Zweifel gezogen werden. Die Eigenbrötlerei der gnostischen Gruppen, unter denen es nach wie vor auch rein heidnisch ausgerichtete gab, schwächte ihre Durchsetzungskraft. Wäre es anders gewesen, würden wir jetzt vielleicht nicht im christlichen, sondern in einem gnostischen Abendland leben. Die Chancen dafür standen gut; denn besonders unter den gebildeten Menschen hatten gnostische Gruppierungen zahlreiche Anhänger. Wären die Gnostiker sich einig gewesen, hätten sie durchaus als Sieger aus dem Streit hervorgehen können. Es lag aber auch im Wesen der Gnosis, für eine in die Breite wirkende Volksreligion wenig geeignet zu sein.

Am fernsten von allem, was den Templern aus der Bibel bekannt war, stand sicher jene Göttin, resp. Halbgöttin, von der schon die Rede war. Sie stand in einer nicht restlos geklärten Verbindung zu der Ennoia des Simon Magus, ohne aber mit dieser identisch zu sein. Die bei den geheimwissenschaftlichen Templern vorkommende Ennoia scheint überhaupt kaum etwas mit der Ennoia/Helene gemeinsam zu haben. Sie ist aber auch in den baphometischen Bildern der weibliche Teil der Allgottheit. Die an früherer Stelle schon erwähnte Göttin Yse/Isaria/Isais dagegen ist als ein jenseitiges Wesen anzusehen, welches sich im Auftrag der außerhalb des Kosmos’ stehenden Gottheit auf Seiten des Lichts in den Kampf zwischen Licht und Finsternis einschaltet. In den visuellen Darstellungen entspricht sie nicht dem klassischen Bild einer Göttin, sondern sieht eher wie ein junges Mädchen aus, das meistens in Knabentracht erscheint. Dieses Wesen wirkt dennoch sehr weiblich, es hat sogar eine stark erotische Ausstrahlung. Höchst ungewöhnlich für die Zeit des christlichen Mittelalters. In der Antike brauchte so etwas weniger zu erstaunen, obgleich es auch damals etwas Besonderes war. Schon bei den entsprechenden Geheimbünden in der Ära der Gnosis gab es das geschilderte Bild, welchem die meist jungen Priesterinnen dieser Gemeinschaften nacheiferten, wie es im Mittelalter schwerlich vorstellbar ist. Dem Glauben nach kann sich diese Göttin nach belieben in eine Katze, Pantherin oder in eine Löwin verwandeln. Manche Gnostiker brachten sie daher auch mit Sechmet in Verbindung, der löwenhäuptigen Kriegsgöttin der alten Ägypter. Wahrscheinlich brachte die Verehrung dieses Wesens den Katharern den Beinamen Cathari ein, zurückgehend auf Cattus (Katze); und aus dem Wort Cathari wurde dann im Deutschen der Ausdruck Ketzer. Inwieweit der betreffende Kult bei den Katharern tatsächlich aktiv ausgeübt wurde, ist ungerwiß. Vieles, was ihnen noch heute unterstellt wird, ist nirgends belegt. In Kreisen der Templer, besonders bei Assozianten, hat diese weibliche Gottheit aber einen hohen Stellenwert besessen. Nicht allein bei weiblichen Mitgliedern einiger Assoziantengruppen war sie sehr beliebt. Allerdings vermutlich nur im Aplen-Adria-Raum und in Südfrankreich. An anderen Sitzen des Templerordens, auch im Hauptquartier zu Paris, finden sich keine Spuren von ihr. Da alles „Ketzerische" vernichtet worden ist, muß das Fehlen solcher Hinweise nicht unbedingt allzu viel aussagen, aber da es auch an mittelbaren Anzeichen für die weibliche Gottheit dort fehlt, ist doch anzunehmen, daß deren Bedeutung tatsächlich auf einige Regionen begrenzt blieb. Aus diesem Grunde ist dieser Punkt hier nicht zu vertiefen, obschon es aus dem Umfeld der Geheimwissenschaftlichen Sektion manches dazu gibt. Um dies vollauf begreifbar zu machen, müßte dieser Aspekt jedoch ausführlich abgehandelt werden, was den Templerorden in einem Licht erscheinen lassen könnte, das ihm – als Ganzes gesehen – wohl nicht entspräche. Selbstverständlich, das kann ein Fehler sein, da die hier gezogene Schlußfolgerung sich allein auf das Fehlen von Hinweisen gründet, die auch in der Spurenvernichtung ihre Ursache haben kann. Niemand weiß das. Es soll aber genügen, in dem Sonderkapitel über die Geheimwissenschaftliche Sektion auf den Aspekt „Göttin" näher einzugehen. Immerhin: Die Baphomet-Darstellung, die auch in Paris gefunden wurde, zeigt die wohl allgemein bei den Templern angenommene Bedeutsamkeit einer weiblichen Seite der göttlichen Kraft, welche aus Allvater und Allmutter besteht. Insofern hat zumindest das quasi überkosmische Weltbild, wie es aus Wien und Genua bekannt ist, wahrscheinlich für den gesamten Orden Gültigkeit besessen.

Wir haben jetzt einiges behandelt, was der Bibel und der Kirche unendlich fern steht und dem im kirchlichen Glauben lebenden Menschen urfremd erscheinen muß. So also begegnete es den Templern, als sie damit erstmals in Berührung kamen. Wenn wir uns dies ausmalen, können wir uns recht gut in sie hineinversetzen.

Vieles von dem, was zuvor besprochen wurde, lag lange vor der Gründung des Templerordens; und doch ist es für das Verstehen seiner Geschichte wichtig. Denn die Templer selbst sahen ihre mystischen Wurzeln in der Epoche Christi, im I. und im II. Jahrhundert. Die inzwischen vergangene Zeit war für sie bedeutungslos, denn es ging ihnen darum zum Ursprung des Christentums zurückzufinden und dort neu anzuknüpfen, wo ihrer Überzeugung nach die Weichen der Geschichte falsch gestellt worden waren. Sowohl Marcion wie auch Cerdu und dessen Verbindung zu gnostischen Gemeinschaften und Geheimbünden, resp. was aufgrund all dessen zu den Templern gelangte, wirkten auf diese stark ein. Das galt sowohl für die direkten Spuren wie auch für alles, was auf dem zeitlichen Umweg durch die Katharer zu ihnen drang. Ohne all dies würde der Weg des Templerordens vermutlich nicht aufregender verlaufen sein als die Wege der andere Ritterorden. Doch die Geschichte wollte es, daß es für die Templer anders kommen sollte. Die Auffindung marcionitischer Schriften, welche die Eschaimin-Notizen aus Jerusalem bestätigten, sowie bald weitere Informationen über den Glauben der Katharer etc., bewirkten eine Weichenstellung, die für den Templerorden und dessen Geschichte in vielerlei Hinsicht entscheidend war; denn die inneren Kreise des Ordens entwickelten daraufhin eine Geheimlehre, welche den weiteren Weg bestimmte, so unfertig sie in manchem auch noch gewesen sein mag. Sowohl die offizielle Geschichtsschreibung der Gegenwart wie auch die meisten „esoterischen" Publikationen wissen über die Geheimlehre der Templer entweder nicht viel, oder sie verschweigen diese (vermutlich zumeist letzteres). Dennoch sind die Hinweise unübersehbar für jeden Menschen, der die Augen aufmacht und hinsieht.

Fortsetzug folgt

       
               
               
     

       
               
               
Überblick Ausblick Einblick Rückblick Rundblick Galerie Tonarchiv

Home


Um an die Stelle  "zurück"  zuspringen, von der Sie gekommen sind,   verwenden Sie bitte den  "Zurück-Pfeil"  Ihres Browsers !