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Der Geisterseher  Teil3

       
     
       
     

Der Geisterseher  -  Teil3

       
     
       
      »Gnädigster Prinz -«

»Als Sie ihm näher ins Gesicht sahen, stießen Sie einen lauten Schrei aus und stürzten nieder. Warum das? Was bedeutete das?«

»Dieser Unbekannte, gnädigster Prinz -« Er hielt inne, wurde sichtbarlich unruhiger und sah uns alle in der Reihe herum mit verlegenen Blicken an. - »Ja, bei Gott, gnädigster Prinz, dieser Unbekannte ist ein schreckliches Wesen.«

»Was wissen Sie von ihm? Wie steht er mit Ihnen in Verbindung? - Hoffen Sie nicht, uns die Wahrheit zu verhehlen.« -

 

3.Teil

 

 

 

»Dafür werd' ich mich wohl hüten - denn wer steht mir dafür, daß er nicht in diesem Augenblick unter uns stehet?«

»Wo? Wer?« riefen wir alle zugleich und schauten uns halb lachend, halb bestürzt im Zimmer um. - »Das ist ja nicht möglich.«

»O! diesem Menschen - oder wer es sein mag - sind Dinge möglich, die noch weit weniger zu begreifen sind.«

»Aber wer ist er denn? Woher stammt er? Armenier oder Russe? Was ist das Wahre an dem, wofür er sich ausgibt?«

»Keines von allem, was er scheint. Es wird wenige Stände, Charaktere und Nationen geben, davon er nicht schon die Maske getragen. Wer er sei? Woher er gekommen? Wohin er gehe? weiß niemand. Daß er lang' in Aegypten gewesen, wie viele behaupten, und dort aus einer Pyramide seine verborgene Weisheit geholt habe, will ich weder bejahen noch verneinen. Bei uns kennt man ihn nur unter dem Namen des Unergründlichen. Wie alt, zum Beispiel, schätzen Sie ihn?«

»Nach dem äußern Anschein zu urteilen, kann er kaum vierzig zurückgelegt haben.«

»Und wie alt, denken Sie, daß ich sei?« »Nicht weit von fünfzig.«

»Ganz recht - und wenn ich Ihnen nun sage, daß ich ein Bursche von Siebenzehn Jahren war, als mir mein Großvater von diesem Wundermann erzählte, der ihn ungefähr in eben dem Alter, worin er jetzt zu sein scheint, in Famagusta gesehen hat -«

»Das ist lächerlich, unglaublich und übertrieben.« »Nicht um einen Zug. Hielten mich diese Fesseln nicht ab, ich wollte Ihnen Bürgen stellen, deren ehrwürdiges Ansehen Ihnen keinen Zweifel mehr übrig lassen würde. Es gibt glaubwürdige Leute, die sich erinnern, ihn in verschiedenen Weltgegenden zu gleicher Zeit gesehen zu haben. Keines Degens Spitze kann ihn durchbohren, kein Gift kann ihm etwas anhaben, kein Feuer sengt ihn, kein Schiff geht unter, worauf er sich befindet. Die Zeit selbst scheint an ihm ihre Macht zu verlieren, die Jahre trocknen seine Säfte nicht aus, und das Alter kann seine Haare nicht bleichen. Niemand ist, der ihn Speise nehmen sah, nie ist ein Weib von ihm berührt worden, kein Schlaf besucht seine Augen; von allen Stunden des Tages weiß man nur eine einzige, über die er nicht Herr ist, in welcher niemand ihn gesehen, in welcher er kein irdisches Geschäft verrichtet hat. »So?« sagte der Prinz. »Und was ist das für eine Stunde?«

»Die zwölfte in der Nacht. Sobald die Glocke den zwölften Schlag tut, gehört er den Lebendigen nicht mehr. Wo er auch sein mag, er muß fort, welches Geschäft er auch verrichtet, er muß es abbrechen. Dieser schreckliche Glockenschlag reißt ihn aus den Armen der Freundschaft, reißt ihn selbst vom Altar und würde ihn auch aus dem Todeskampf rufen. Niemand weiß, wo er dann hingehet, noch was er da verrichtet. Niemand wagt , ihn darum zu befragen, noch weniger, ihm zu folgen; denn seine Gesichtszüge ziehen sich auf einmal, sobald diese gefürchtete Stunde schlägt, in einen so finstern und schreckhaften Ernst zusammen, daß jedem der Mut entfällt, ihm ins Gesicht zu blicken oder ihn anzureden. Eine tiefe Todesstille endigt dann plötzlich das lebhafte Gespräch, und alle, die um ihn sind, erwarten mit ehrerbietigem Schaudern seine Wiederkunft, ohne es nur zu wagen, sich von der Stelle zu heben oder die Türe zu öffnen, durch die er gegangen ist.«

Aber«, fragte einer von uns, »bemerkt man nichts Außerordentliches an ihm bei seiner Zurückkunft?«

»Nichts, als daß er bleich und abgemattet aussieht, ungefähr wie ein Mensch, der eine schmerzhafte Operation ausgestanden, oder eine schreckliche Zeitung erhält. Einige wollen Blutstropfen auf seinem Hemde gesehen haben, dieses aber lasse ich dahingestellt sein.«

»Und man hat es zum wenigsten nie versucht, ihm diese Stunde zu verbergen, oder ihn so in Zerstreuung zu verwickeln, daß er sie übersehen mußte?«

»Ein einziges Mal, sagt man, überschritt er den Termin. Die Gesellschaft war zahlreich, man verspätete sich

bis tief in die Nacht, alle Uhren waren mit Fleiß falsch gerichtet, und das Feuer der Unterredung riß ihn dahin. Als die gesetzte Stunde da war, verstummte er plötzlich und wurde starr, alle seine Gliedmaßen verharrten in derselben Richtung, worin dieser Zufall sie überraschte, seine Augen standen, sein Puls schlug nicht mehr, alle Mittel, die man anwendete, ihn wieder zu erwecken, waren fruchtlos; und dieser Zustand hielt an, bis die Stunde verstrichen war. Dann belebte er sich plötzlich von selbst wieder, schlug die Augen auf und fuhr in der nämlichen Silbe fort, worin er war unterbrochen worden. Die allgemeine Bestürzung verriet ihm, was geschehen war, und da erklärte er mit einem fürchterlichen Ernst, daß man sich glücklich preisen dürfte, mit dem bloßen Schrecken davongekommen zu sein. Aber die Stadt, worin ihm dieses begegnet war, verließ er.

 

Dieser Lorenzo war der jüngere Sohn des Marchese, weswegen er auch zu dem geistlichen Stand bestimmt war; die Güter der Familie sollten an seinen ältern Bruder fallen. Jeronymo, so hieß dieser ältere Bruder, hatte mehrere Jahre auf Reisen zugebracht und kam ungefähr sieben Jahre vor der Begebenheit, die jetzt erzählt wird, in sein Vaterland zurück, um eine Heirat mit der einzigen Tochter eines benachbarten gräflichen Hauses von C***tti zu vollziehen, worüber beide Familien schon seit der Geburt dieser Kinder übereingekommen waren, um ihre ansehnlichen Güter dadurch zu vereinigen. Ungeachtet daß diese Verbindung bloß das Werk der elterlichen Konvenienz war und die Herzen beider Verlobten bei der Wahl nicht um Rat gefragt wurden, so hatten sie dieselbe doch stillschweigend schon gerechtfertigt. Jeronymo del M**nte und Antonie C***tti waren miteinander auferzogen worden, und der wenige Zwang, den man dem Umgang zweier Kinder auflegte, die man schon damals gewohnt war, als ein Paar zu betrachten, hatte frühzeitig ein zärtliches Verständnis zwischen beiden entstehen lassen, das durch die Harmonie ihrer Charaktere noch mehr befestigt ward und sich in reifern Jahren leicht zur Liebe erhöhte. Eine vierjährige Entfernung hatte es vielmehr angefeuert als erkältet, und Jeronymo kehrte ebenso treu und ebenso feurig in die Arme seiner Braut zurück, als wenn er sich niemals daraus gerissen hätte. Die Entzückung des Wiedersehens war noch nicht vorüber, und die Anstalten zur Vermählung wurden auf das lebhafteste betrieben, als der Bräutigam- verschwand. Er pflegte öfters ganze Abende auf einem Landhaus zuzubringen, das die Aussicht aufs Meer hatte, und sich da zuweilen mit einer Wasserfahrt zu vergnügen. Nach einem solchen Abende geschah es, daß er ungewöhnlich lang' ausblieb. Man schickte Boten nach ihm aus, Fahrzeuge suchten ihn auf der See; niemand wollte ihn gesehen haben. Von seinen Bedienten wurde keiner vermißt, daß ihn also keiner begleitet haben konnte. Es wurde Nacht, und er erschien nicht. Es wurde Morgen - es wurde Mittag und Abend, und noch kein Jeronymo. Schon fing man an, den schrecklichsten Mutmaßungen Raum zu geben, als die Nachricht einlief, ein algierischer Korsar habe vorigen Tages an dieser Küste gelandet, und verschiedene von den Einwohnern seien gefangen weggeführt worden. Sogleich werden zwei Galeeren bemannt, die eben segelfertig liegen; der alte Marchese besteigt selbst die erste, entschlossen, seinen Sohn mit Gefahr seines eigenen Lebens zu befreien. Am dritten Morgen erblicken sie den Korsaren, vor welchem sie den Vorteil des Windes voraushaben; sie haben ihn bald erreicht, sie kommen ihm so nahe, daß Lorenzo, der sich auf der ersten Galeere befindet, das Zeichen seines Bruders auf dem feindlichen Verdeck zu erkennen glaubt, als plötzlich ein Sturm sie wieder voneinander trennt. Mit Mühe stehen ihn die beschädigten Schiffe aus; aber die Prise ist verschwunden, und die Not zwingt sie, auf Malta zu landen. Der Schmerz der Familie ist ohne Grenzen; trostlos rauft sich der alte Marchese die eisgrauen Haare aus, man fürchtet für das Leben der jungen Gräfin. Fünf Jahre gehen in fruchtlosen Erkundigungen hin. Nachfragen geschehen längs der ganzen barbarischen Küste; ungeheure Preise werden für die Freiheit des jungen Marchese geboten; aber niemand meldet sich, sie zu verdienen. Endlich blieb es bei der wahrscheinlichen Vermutung, daß jener Sturm, welcher beide Fahrzeuge trennte, das Räuberschiff zu Grunde gerichtet habe und daß seine ganze Mannschaft in den Fluten umgekommen sei.

So scheinbar diese Vermutung war, so fehlte ihr doch noch viel zur Gewißheit, und nichts berechtigte, die Hoffnung ganz aufzugeben, daß der Verlorne nicht einmal wieder sichtbar werden könnte. Aber gesetzt nun, er würde es nicht mehr, so erlosch mit ihm zugleich die Familie, oder der zweite Bruder mußte dem geistlichen Stande entsagen und in die Rechte des Erstgebornen eintreten. So gewagt dieser Schritt und so ungerecht es an sich selbst war, diesen möglicherweise noch lebenden Bruder aus dem Besitz seiner natürlichen Rechte zu verdrängen, so glaubte man, einer so entfernten Möglichkeit wegen, das Schicksal eines alten glänzenden Stammes, der ohne diese Einrichtung erlosch, nicht aufs Spiel setzen zu dürfen. Gram und Alter näherten den alten Marchese dem Grabe; mit jedem neu vereitelten Versuch sank die Hoffnung, den Verschwundenen wieder zu finden; er sah den Untergang seines Hauses, der durch eine kleine Ungerechtigkeit zu verhüten war, wenn er sich nämlich nur entschließen wollte, den Jüngern Bruder auf Unkosten des ältern zu begünstigen. Um seine Verbindungen mit dem gräflichen Hause von C***tti zu erfüllen, brauchte nur ein Name geändert zu werden; der Zweck beider Familien war auf gleiche Art erreicht, Gräfin Antonie mochte nun Lorenzos oder Jeronymos Gattin heißen. Die schwache Möglichkeit einer Wiedererscheinung des letztern kam gegen das gewisse und dringende Übel, den gänzlichen Untergang der Familie, in keine Betrachtung, und der alte Marchese, der die Annäherung des Todes mit jedem Tage stärker fühlte, wünschte mit Ungeduld, von dieser Unruhe wenigstens frei zu sterben.

 

Wie weit ich es mit ihm gebracht und welche Wege ich dabei gegangen, erlassen Sie mir zu erzählen; aus den Geständnissen, die ich Ihnen bereits getan, können Sie auf alles übrige schließen. Da ich mir alle mystische Bücher zu nutze machte, die sich in der sehr ansehnlichen Bibliothek des Marchese befanden, so gelang es mir bald, in seiner Sprache mit ihm zu reden und mein System von der unsichtbaren Welt mit seinen eignen Meinungen in Übereinstimmung zu bringen. In kurzem glaubte er, was ich wollte, und hätte ebenso zuversichtlich auf die Begattungen der Philosophen mit Salamandrinnen und Sylphiden als auf einen Artikel des Kanons geschworen. Da er überdies sehr religiös war und seine Anlage zum Glauben in dieser Schule zu einem hohen Grade ausgebildet hatte, so fanden meine Märchen bei ihm desto leichter Eingang, und zuletzt hatte ich ihn mit Mystizität so umstrickt und umwunden, daß nichts mehr bei ihm Kredit hatte, sobald es natürlich war. In kurzem war ich der angebetete Apostel des Hauses. Der gewöhnliche Inhalt meiner Vorlesungen war die Exaltation der menschlichen Natur und der Umgang mit höhern Wesen, mein Gewährsmann der untrügliche Graf von Gabalis. Die junge Gräfin, die seit dem Verlust ihres Geliebten ohnehin mehr in der Geisterwelt als in der wirklichen lebte und durch den schwärmerischen Flug ihrer Phantasie mit leidenschaftlichem Interesse zu Gegenständen dieser Gattung hingezogen ward, fing meine hingeworfenen Winke mit schauderndem Wohlbehagen auf; ja sogar die Bedienten des Hauses suchten sich im Zimmer zu tun zu machen, wenn ich redete, um hier und da eins meiner Worte aufzuhaschen, welche Bruchstücke sie alsdann nach ihrer Art aneinander reihten.

Ungefähr zwei Monate mochte ich so auf diesem Rittersitze zugebracht haben, als eines Morgens der Chevalier auf mein Zimmer trat. Tiefer Gram malte sich auf seinem Gesichte, alle seine Züge waren zerstört, er warf sich in einen Stuhl mit allen Gebärden der Verzweiflung. Kapitän<, sagte er, >mit mir ist es vorbei. Ich muß fort. Ich kann es nicht länger hier aushalten.<

Was ist Ihnen, Chevalier? Was haben Sie?<

O diese fürchterliche Leidenschaft!< (Hier fuhr er mit Heftigkeit von dem Stuhle auf und warf sich in meine Arme.) - >Ich habe sie bekämpft wie ein Mann. - Jetzt kann in ich nicht mehr.<

Aber an wem liegt es denn, liebster Freund, als an Ihnen? Steht nicht alles in Ihrer Gewalt? Vater, Familie -

Vater! Familie! Was ist mir das? - Will ich eine erzwungene Hand oder eine freiwillige Neigung? - Hab' ich nicht einen Nebenbuhler? - Ach! Und welchen? Einen Nebenbuhler vielleicht unter den Toten? O lassen Sie mich! Lassen Sie mich! Ging' es auch bis ans Ende der Welt. Ich muß meinen Bruder finden.<

>Wie? Nach so viel fehlgeschlagenen Versuchen haben Sie noch Hoffnung -<

>Hoffnung! - In meinem Herzen starb sie längst. Aber auch in jenem? - Was liegt daran, ob ich hoffe? - Bin ich glücklich, solange noch ein Schimmer dieser Hoffnung in Antoniens Herzen glimmt? - Zwei Worte, Freund, könnten meine Marter enden - Aber umsonst! Mein Schicksal wird elend bleiben, bis die Ewigkeit ihr langes Schweigen bricht und Gräber für mich zeugen.<

>Ist es diese Gewißheit also, die Sie glücklich machen kann?<

>Glücklich? O ich zweifle, ob ich es je wieder sein kann! - Aber Ungewißheit ist die schrecklichste Verdammnis!< (Nach einigem Stillschweigen mäßigte er sich und fuhr mit Wehmut fort.) >Daß er meine Leiden sähe! - Kann sie ihn glücklich machen, diese Treue, die das Elend seines Bruders macht? Soll ein Lebendiger eines Toten wegen schmachten, der nicht mehr genießen kann? - Wüßte er meine Qual - (hier fing er an, heftig zu weinen, und drückte sein Gesicht auf meine Brust) >vielleicht - ja vielleicht würde er sie selbst in meine Arme führen.<

>Aber sollte dieser Wunsch so ganz unerfüllbar sein?< >Freund! Was sagen Sie?< - Er sah mich erschrocken an.

 

>Weit geringere Anlässe<, fuhr ich fort, >haben die Abgeschiedenen in das Schicksal der Lebenden verflochten. Das ganze zeitliche Glück eines Menschen - eines Bruders -<

>Das ganze zeitliche Glück! O das fühl' ich! Wie wahr haben Sie gesagt! Meine ganze Glückseligkeit!< >Und die Ruhe einer trauernden Familie kann keine rechtmäßige Veranlassung sein, die unsichtbaren Mächte zum stand aufzufordern? Gewiß! wenn je eine irdische Angelegenheit dazu berechtigen kann, die Ruhe der Seligen zu stören - von einer Gewalt Gebrauch zu machen -<

Um Gottes willen, Freund!< unterbrach er mich, nichts mehr davon. Ehmals wohl, ich gesteh' es, hegte einen solchen Gedanken - mir deucht, ich sah einen davon - aber ich hab' ihn längst als ruchlos und abscheulich verworfen.<

Sie sehen nun schon«, fuhr der Sizilianer fort, »wohin dieses führte. Ich bemühte mich, die Bedenklichkeiten des Ritters zu zerstreuen, welches mir endlich auch gelang. Es ward beschlossen, den Geist des Verstorbenen zu zitieren, wobei ich mir nur vierzehn Tage Frist bedingte, um mich, wie ich vorgab, würdig darauf vorzubereiten. Nachdem dieser Zeitraum verstrichen und meine Maschinen gehörig gerichtet waren, benutzte ich einen schauerlichen Abend, wo die Familie auf die gewöhnliche Art um mich versammelt war, ihr die Einwilligung dazu abzulocken oder sie vielmehr unvermerkt dahin zu leiten, daß sie selbst diese Bitte an mich tat. Den schwersten Stand hatte man bei der jungen Gräfin, deren Gegenwart doch so wesentlich war; aber hier kam uns der schwärmerische Flug ihrer Leidenschaft zu Hülfe, und vielleicht mehr noch ein schwacher Schimmer von Hoffnung, daß der Totgeglaubte noch lebe und auf den Ruf nicht erscheinen werde. Mißtrauen in die Sache selbst, Zweifel in meine Kunst war das einzige Hindernis, welches ich nicht zu bekämpfen hatte.

Sobald die Einwilligung der Familie da war, wurde der dritte Tag zu dem Werke angesetzt. Gebete, die bis in die Mitternacht verlängert werden mußten, Fasten, Wachen, Einsamkeit und mystischer Unterricht waren, verbunden mit dem Gebrauch eines gewissen unbekannten musikalischen Instruments, das ich in ähnlichen Fällen sehr wirksam fand, die Vorbereitung zu diesem feierlichen Akt, welche auch so sehr nach Wunsche einschlugen, daß die fanatische Begeisterung meiner Zuhörer meine eigene Phantasie erhitzte und die Illusion nicht wenig vermehrte, zu der ich mich bei dieser Gelegenheit anstrengen mußte. Endlich kam die erwartete Stunde - <

»Ich errate«, rief der Prinz, »wen Sie uns jetzt aufführen werden - Aber fahren Sie nur fort - fahren Sie fort -«

»Nein, gnädigster Herr. Die Beschwörung ging nach Wunsche vorüber.«

»Aber wie? Wo bleibt der Armenier?«

»Fürchten Sie nicht«, antwortete der Sizilianer, »der Armenier wird nur zu zeitig erscheinen.

Ich lasse mich in keine Beschreibung des Gaukelspiels ein, die mich ohnehin auch zu weit führen würde. Genug, es erfüllte alle meine Erwartungen. Der alte Marchese, die junge Gräfin nebst ihrer Mutter, der Chevalier und noch einige Verwandte waren zugegen. Sie können leicht denken, daß es mir in der langen Zeit, die ich in diesem Hause zugebracht, nicht an Gelegenheit werde gemangelt haben, von allem, was den Verstorbenen anbetraf, die genaueste Erkundigung einzuziehen. Verschiedne Gemälde, die ich da von ihm vorfand, setzten mich in den Stand, der Erscheinung die täuschendste Ähnlichkeit zu geben, und weil ich den Geist nur durch Zeichen sprechen ließ, so konnte auch seine Stimme keinen Verdacht erwecken. Der Tote selbst erschien in barschem Sklavenkleid, eine tiefe Wunde am Halse. Sie bemerken«, sagte der Sizilianer, »daß ich hierin von der allgemeinen Mutmaßung abging, die ihn in den Wellen umkommen lassen, weil ich Ursache hatte zu hoffen, daß gerade das Unerwartete dieser Wendung die Glaubwürdigkeit der Vision selbst nicht wenig vermehren würde; so wie mir im Gegenteil nichts gefährlicher schien als eine zu gewissenhafte Annäherung an das Natürliche..«

 

Ich glaube, daß dies sehr richtig geurteilt war«, sagte der Prinz, indem er sich zu uns wendete. »In einer Reihe außerordentlicher Erscheinungen müßte, deucht just die wahrscheinlichere stören. Die Leichtigkeit die erhaltene Entdeckung zu begreifen, würde hier das Mittel, durch welches man dazu gelangt war, herabgewürdiget haben; die Leichtigkeit, sie zu erfinden dieses wohl gar verdächtig gemacht haben; denn wozu einen Geist bemühen, wenn man nichts weiteres von ihm erfahren soll, als was auch ohne ihn, mit Hülfe der bloß gewöhnlichen Vernunft, herauszubringen war? Aber die überraschende Neuheit und Schwierigkeit der Entdeckung ist hier gleichsam eine Gewährleistung des Wunders, wodurch sie erhalten wird - denn wer wird nun das Übernatürliche einer Operation in Zweifel ziehen, wenn das, was sie leistete, durch natürliche Kräfte nicht geleistet werden kann? - »Ich habe Sie unterbrochen«, setzte der Prinz hinzu. »Vollenden Sie Ihre Erzählung.«

Ich ließ«, fuhr dieser fort, »die Frage an den Geist ergehen, ob er nichts mehr sein nenne auf dieser Welt nichts darauf hinterlassen habe, was ihm teuer wäre?

 

 

Ende Teil 3

 

       
               
               
     

       
               
               
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