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Z-Plan  (Auszug-3)

       
     
       
     

Z-Plan  -  Auszug-3

       
     
       
      Z-Plan, aus dem 3. Kapitel Auszug 1

Zwei Männer machten Anstalten, ungebeten einzutreten. Sie verharrten jedoch, da Lukowsky den Weg nicht freigab. Ihre Mienen deuteten betonte Wichtigkeit an. Der Gruß: „Guten Abend!", den beide fast gleichzeitig von sich gaben, hatte einen aggressiven Unterton. Einer der Männer, ein rundlicher, untersetzter in mittleren Jahren, rotblond, mit müden, überanstrengten Augen fragte: „Sie sind Ernst Lukowsky?" Der Mann sprach so, wie er offenbar meinte, es klinge forsch, bedrohlich und einschüchternd zugleich. Da Lukowsky auf die erste Frage nicht reagierte, tönte die aggressive Stimme: „Sie sind doch Lukowsky?!" Der rotblonde Mann griff in eine Tasche, sein jüngerer Begleiter, der anscheinend gelernt hatte, diese wirkungsvolle Hand- und Armbewegung seines Chefs erstaunlich genau nachzuahmen, folgte dem Beispiel, und beide beförderten in nahezu synchronem Bewegungsablauf ihre Kennmarken vor Lukowskys Gesicht. Dazu sagte der Rundliche mürrisch: „Kriminalpolizei, Herr Lukowsky! Wir haben eine Reihe von Fragen an Sie zu richten." Da Lukowsky keine Neigung zeigte, die Tür weiter zu öffnen und die beiden im Treppenhaus wartenden Männer hereinzulassen, versuchte der ältere Beamte: „Ich heiße Cornelius – wie Corneliusstraße, hähä – und das ist mein Kollege Fugg." Erst jetzt grüßte Lukowsky: „Guten Abend", und ließ die beiden Männer eintreten: „Ich nehme an, Sie bringen mir Nachricht von meinem verunglückten Kameraden. Setzen Sie sich!" Die Beamten nickten gleichzeitig und ließen sich zugleich auf der hellen, kunststoffbezogenen Bank in der Diele nieder. Lukowsky blieb an den runden Tisch gelehnt stehen. Cornelius begann: „Ja. – Das heißt, nein. Nachricht bringen kann man das nicht nennen. Soweit ich informiert bin, wurde Herr Schäurer, der Pilot des Unglücksflugzeuges, noch nicht aufgefunden. Aber..." Cornelius zog eine Filterzigarette aus der Manteltasche, brach den Filter ab, ließ ihn in den neben der Bank stehenden Stilaschenbecher fallen und drehte die Zigarette um. Er klemmte sie zwischen die Lippen und ließ sich von seinem Untergebenen Feuer reichen. Nachdem die Zigarette brannte, fragte er beiläufig: „Sie gestatten doch? Nun ja, aber wir wüßten gern von Ihnen, wer den Auftrag zum fraglichen Flug erteilte." - „Ein Bevollmächtigter der Firma Manday, beziehungsweise Rolland & Löw", antwortete Lukowsky: „Er hatte von beiden Unternehmen entsprechende Schreiben. Ich sah keinen Grund, deren Echtheit anzuzweifeln." Cornelius machte. „Hm! Können Sie uns den Namen des betreffenden... Bevollmächtigten mitteilen?" – „Sicher", sagte Lukowsky: „Brünner hieß der Kerl. Wollen Sie seine Visitenkarte haben?" Cornelius nickte interessiert: „Wenn Sie eine haben." Lukowsky kramte in seinen Taschen und fand schließlich Brünners längliches Kärtchen. Mit gestrecktem Arm reichte er es dem Polizisten. „Danke", sagte dieser, begutachtete die Visitenkarte und fragte währenddessen: „Meinen Sie, diesen Brünner für das Unglück verantwortlich machen zu können?" Lukowsky erwiderte: „Wie kommen Sie auf die Idee?" Cornelius blickte von der Visitenkarte auf Lukowsky: „Weil Sie ihn «Kerl» nennen – unter anderem." Lukowsky griff mit den Händen an die Tischkante, lehnte sich an den Tisch und stützte die Hände auf die Oberschenkel: „Bleiben Sie bei «unter anderem». «Kerl» nenne ich jeden, der nicht mein Blutsbruder ist. Außerdem war Kerl ursprünglich keineswegs ein Schimpfwort. Also: Ich halte den Absturz unserer Do 28 für die Folge eines gezielten Verbrechens, an dem Brünner womöglich mitschuldig ist, vielleicht aber auch nicht. Bestimmt legte er nicht eigenhändig den Knallfrosch ins Getriebe – falls Sie darauf hinaus wollen!" Da der ältere Beamte darüber nachzudenken schien, sagte der jüngere: „Aber es ist noch nicht heraus, ob es sich wirklich um einen Fall von Sabotage handelt." - „Denken Sie doch mal selber nach!" forderte Lukowsky: „Eine fast neue Maschine kracht so mir nichts dir nichts auseinander. Komisch, nicht?!" „Ach, wissen Sie", begann wieder der Ältere: „Wir sind darüber nicht so genau unterrichtet. Ist auch nicht unser Ressort. Sie jedenfalls sind überzeugt, es liege Sabotage vor? Hm! Und diesen Brünner machen Sie dafür verantwortlich – beziehungsweise vielleicht. Wir denken nur, Sie haben Grund genug, diesen Brünner nicht zu mögen. Kann man das so sagen?" Er fingerte eine Tabakfaser von der Zunge, betrachtete dabei seine Zigarette und sprach in den aufsteigenden Rauch hinein: „Übrigens, Brünner ist tot." Cornelius hatte diese Worte wie beiläufig in den Raum geworfen. Nun sah er Lukowsky an. Lukowsky bemühte sich um einen erstaunt wirkenden Gesichtsausdruck: „So?" - „Hmhm", bestätigte Cornelius ruhig: „Er wurde im Grafenberger Wald aufgefunden – erstochen aufgefunden." - „Erstochen?" wunderte sich Lukowsky. „Ganz recht", nickte Cornelius, nun wieder die kürzer werdende Zigarette im Auge haltend: „Meinten Sie, man hätte ihn aufhängen oder erschießen müssen?" Bei dem Wort «erschießen» sah er Lukowsky an. Da keine Reaktion erfolgte, fügte er hinzu: „Ich habe den Eindruck, die Art von Brünners Tod verblüfft Sie mehr als diese Tatsache überhaupt?" Lukowsky entgegnete freundlich: „Es ist immer seltsam, vom plötzlichen Tod eines Menschen zu hören, den man kürzlich noch quicklebendig sah. Besonders wenn er erstochen wurde. Das ist hierzulande ja nicht gerade eine gängige Todesart." - „Sie sagten «immer», forschte Cornelius scheinbar nachlässig: „Passiert Ihnen so was öfters? Ich meine abgesehen von der Todesart." - „Es kam schon vor", entgegnete Lukowsky knapp, „wenn auch nicht hierzulande. Ich arbeite in einem harten Beruf." Der Beamte machte erneut: „Hm!" und sagte anschließend: „Sie haben ja auch recht! Brünner wurde nicht erstochen. Er wurde erschossen!" Cornelius kniff leicht das linke Auge zu und versuchte ein Lächeln: „Wußten Sie vermutlich längst?" Lukowsky zögerte einen Augenblick, ehe er ungeniert loslachte: „Mich wollt Ihr als Mörder, Herrschaften! Das find’ ich ja originell! Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, was?! Da sucht Euch mal einen anderen!" Cornelius grollte etwas Unverständliches, während Fugg aufgebracht rief: „Sie verkennen Ihre Situation, Herr Lukowsky!" Der ältere winkte ab: „Heute vormittag fragten Sie im Parkhotel nach Brünner. Stimmt das?" – „Stimmt!" antwortete Lukowsky wieder ruhig. „Was wollten Sie von ihm?" – „Mit ihm reden." – „Worüber?" - „Über das Flugzeug, den Absturz und seine Auftraggeber." Cornelius rutschte unruhig auf der Kunststoffbank hin und her: „Sollten Sie darauf spekulieren, daß wir diese Nachfrage zu einem Zeitpunkt, da Brünner bereits mausetot war, als Beweis Ihrer Unschuld werten, so lassen Sie sich versichern, daß wir sogar noch plumpere Tricks kennen." Er streifte seinen Mantel glatt und saß wieder ruhig: „Statt dessen bietet Ihr Gespräch mit einem gewissen Herrn Busch, das zu führen der wahre Grund Ihres Besuches im Parkhotel gewesen sein dürfte, manchen Anhaltspunkt." Er wiederholte mit gesenkter Stimme: „Manchen! Sie waren doch mal bei der Bundeswehr. Major der Luftwaffe? Haben Sie damals vielleicht etwas von einem gewissen Projekt «Fritz Ullrich» gehört und eventuell einen gewissen Peter Fischer gekannt, vormals MAD, Militärischer Abschirm-Dienst, zwischendurch BND und heute Busenfreund des besagten Herrn, den Sie im Parkhotel getroffen haben?" Lukowsky spürte Wut in sich aufsteigen: „Jetzt reicht’s. Ich habe zu arbeiten. Raus mit Euch! Kommt wieder, wenn Euch die Leiche gesagt hat, ich war’s, aber nicht vorher!" Er war dicht vor die Beamten hingetreten, die sich von ihrem Sitz erhoben hatten. Cornelius versuchte zu beschwichtigen: „Bewahren Sie doch Vernunft, Lukowsky! Wir wissen immerhin genug, um uns nicht von Ihnen rausschmeissen zu lassen!" Bei den letzten fünf Worten hatte er einen drohenden Tonfall angeschlagen. Lukowsky ging achtlos an den beiden Beamten vorbei und riß die Tür auf: „Dann beweisen Sie – Selbiges – um Beamtendeutsch zu sprechen. Und jetzt raus!" Cornelius sah ihm in die Augen und sagte: „Ich bin nicht Ihr Feind. Aber vielleicht haben wir ja gemeinsame Feinde, bloß Sie wissen’s noch nicht?" Lukowsky steckte sich eine Zigarette an: „Falls ich Feinde habe, werde ich selber mit denen fertig. Adios!" Cornelius zeigte eine Geste, die Resignation oder auch Mitleid mit einem armen Irren bedeuten konnte. Die beiden Beamten trollten sich. Lukowsky warf hinter ihnen die Tür zu.

Lukowsky ging zum Telefon. Er zog Dulcineas Nachricht aus der Brieftasche und rief das Hotel Kaiserhof in Essen an. Fräulein Vera Jörgens war nicht im Hause. Sie hatte aber Nachricht hinterlassen, am späteren Abend erreichbar zu sein. Lukowsky legte auf. Ein wenig Enttäuschung lag in der Bewegung seiner Hand. Einen Moment überlegte er, rief die Auskunft an, ließ sich die Nummer des Parkhotels nennen und rief dort an: „Geben Sie mir Herrn Busch! – Ja, Herr Busch aus Berlin, ja –" Mehrere Minuten verstrichen, bis Herr Busch sich meldete: „Beim Abendessen unterbrechen Sie mich, junger Freund!" – „Essen Sie später", riet Lukowsky: „Vor allem wo anders. Am besten, Sie suchen sich schnell ein neues Quartier, wo dann nicht wieder Busch auf dem Anmeldezettel steht! – Kann ich am Telefon nicht erzählen. Die Polizei ist gerade bei mir zur Tür raus und wahrscheinlich auf dem Weg zu Ihnen. – Wo? – Ja, gut. Halbe Stunde!" Lukowsky ließ den Hörer auf die Gabel krachen. Er sah zur Uhr, ging ins Balkonzimmer und holte seine Jacke.

Sein weinroter Ford Mustang hielt gegenüber dem Nachtlokal «Roselani». Noch war das Lokal geschlossen. Ein Taxi parkte davor. Darin saß Herr Busch und wartete. Lukowsky ging darauf zu und öffnete den Schlag. Er grüßte flüchtig und sagte: „Kommen Sie in meinen Wagen." Busch bezahlte den Taxifahrer, während er sich bei Lukowsky entschuldigte: „Ich hätte daran denken müssen, daß solche Lokale erst um neun Uhr mit dem Betrieb anfangen. Zu dumm von mir!" Lukowsky räumte ein: „Ich hätte auch dran denken können." Sie überquerten die Straße und stiegen in den Mustang. „Wohin wollen Sie nun mit mir?" erkundigte sich der ältere Mann auf dem Beifahrersitz höflich, und Lukowsky antwortete: „In meinem Büro hätten wir Ruhe – aber wer weiß, wie lange. Also irgendwohin. In die Altstadt am besten." Busch nickte nur, ehe er träge fragte: „Und weshalb die Eile? Sie werden verstehen, daß ich einen besonderen Anlaß vermuten muß." Lukowsky lenkte über die Berliner Allee: „Es gibt einen besonderen Anlaß. Ich erwähnte schon am Telefon: Polizei war bei mir." - „So! – Ja..." besann sich Busch gedehnt und fragte in gemütlichem Plauderton: „Was wollte man denn von Ihnen?" - „Man hat mir erzählt, ich hätte Brünner ermordet." Busch fragte ohne Umstände: „Haben Sie?" Er lachte kurz und gekünstelt: „Ein Scherz, mein Lieber! Pardon! Selbstverständlich nur ein Scherz!" Lukowsky wandte den Blick: „Ich könnte mir einen originelleren vorstellen!" Sie kreuzten die Königsallee und fuhren am Parkhotel vorbei in die Altstadt. Beim ersten freien Parkplatz stoppten sie und stiegen aus. Zu Fuß gingen sie durch die bunten Straßen und Gassen, mischten sich unter Menschen, die ihren täglichen Feierabend zu genießen begannen, sich mit Freunden und Freundinnen trafen, tanzen zu gehen, laute Musik zu hören oder zu Abend zu essen, eben das zu tun, was die Mehrzahl der Leute unter Leben verstanden. Es war nicht viel, nichts, worum Ernst Lukowsky sie beneiden konnte. Durch offene Eingangstüren quoll mehr oder weniger lautstarke Musik, oft wilde Rhythmen ohne feste Form. Er dachte, aus den Höhlen der Neandertaler könne es nicht viel anders herausgedröhnt haben. Lokal reihte sich hier an Lokal, Bar an Bar, Diskothek an Diskothek und Kneipe an Kneipe, dazwischen jedwede Art Speiserestaurants sowie Läden und Lädchen, die bei Tageslicht allen möglichen Tand feilboten. „Hier?" fragte Busch und wies unauffällig mit gewölbter Hand auf ein italienisches Restaurant. Lukowsky stimmte zu. Sie betraten die Gaststätte. Kerzen brannten auf den Tischen. Mit antiken Motiven bearbeitete Kupferplatten dienten als Wanddekoration. Die Einrichtung war dunkel gehalten. Abermals fragte Busch: „Hier?" als sie an einen der hintersten unbesetzten Tische gelangten. Lukowsky war es recht. Sie setzten sich. Das Lokal war um diese Abendzeit bereits gut besucht, wenngleich nicht überfüllt. Leise Musik klang unaufdringlich von irgendwo her, italienische Volksweisen neu instrumentiert. Gesprächsfetzen tönten von verschiedenen Tischen zu Busch und Lukowsky, vermengten sich zu einem dumpfen Raunen, aus dem hin und wieder ein Lachen hervorstach oder ein gedämpfter Ruf. Ein Kellner kam und wies auf zwei ledergebundene Speisekarten. Man bestellte zu essen, auch Wein, welcher früher als die Gerichte gebracht wurde. Lukowsky zog einen Aschenbecher auf seine Tischhälfte und nahm eine Zigarette. Während er sie entzündete, blickte er seinen Begleiter aufmunternd an: „Erzählen Sie mir!" Busch befahl ein humorvoll-verlegenes Lächeln in sein Mienenspiel: „Was, zum Beispiel, möchten Sie denn hören?" Lukowsky zählte auf: „Alles über Brünner, alles über seine Mitstreiter, über diesen Valtine und die Kisten, über einen gewissen Fischer! Eben alles was dazugehört!" Busch tat perplex: „Wozu gehört?" - „Zu dem Kladderadatsch, in den ich durch Ihren Freund Beekn geraten bin. Also los! Lassen Sie hören!" - „Aber ich dachte", Busch zeigte eine Handbewegung, die totale Verwunderung zum Ausdruck bringen sollte: „...Sie würden mir erzählen..." Lukowsky zeigte mit ausgestreckter Hand auf des Anderen Brust: „Sie werden mir jetzt Klarheit verschaffen! Ich habe einen guten Grund, darauf zu bestehen!" Busch hob eine Hand abwehrend und die andere betonend: „Aber wirklich! Sie deuteten an, mir etwas mitteilen zu wollen, nicht umgekehrt!" Die Musik wurde um Geringes lauter. Wegen der zunehmenden Dämmerung schaltete man schwache, elektrische Zusatzbeleuchtung ein. Lukowsky tippte mit gestrecktem Finger gegen die dunkle Tischplatte: „Lassen Sie doch die dumme Rederei, Herr Busch! Also: ich höre!" Nach einer gezierten Geste, die wenig zu dem Manne paßte, begann Busch endlich: „Nun, lieber Freund, Sie würden sehr enttäuscht sein von dem... von alledem... Wo sollte ich da überhaupt anfangen?" Lukowsky blies Zigarettenrauch aus: „Ist mir herzlich gleichgültig. Meinetwegen in der Mitte. Hauptsache, am Ende kommt alles zusammen." Busch klatschte schwach in die Hände. Sein Gesichtsausdruck nahm abermals einen onkelhaften Ausdruck an: „Was soll ich nur mit Ihnen anfangen! Sie geben mir wirklich Rätsel auf!" Lukowsky reagierte nicht. Busch zögerte. Endlich begann er in unentschlossenem Tonfall: „Ja... Nun, wissen Sie..." Er setzte sich bequemer zurecht: „Lassen Sie mich so beginnen – das wird wahrscheinlich am vernünftigsten sein: Es gibt Dinge, die keinen Wert besitzen. Entweder weil sie nichts taugen, oder weil kein Mensch den Wert abzuschätzen vermag." Er beugte sich vor: „Verstehen Sie mich?" Lukowsky sagte: „So ungefähr. Aber bitte weniger kryptisch weiter." - „Na gut!" Busch lehnte sich wieder zurück: „Etwas aus der letzteren Kategorie, etwas ganz Bestimmtes selbstverständlich, liegt mir besonders am Herzen. Nun hatte ich berechtigten Anlaß zu vermuten, jenes Bestimmte – bleiben wir vorerst bei dieser Bezeichnung – sei von Ihnen per Flugzeug transportiert worden; respektive einiges, was wesentlicher Bestandteil dessen hätte sein können… Eine Art Einlaß zum Größeren. Deshalb unser Gespräch im Parkhotel. Aber das Ganze stellte sich ja als Irrtum heraus!" Er nickte scheinbar sich selbst zu. Lukowsky wartete, bis Busch ihm in die Augen sah und fragte dann bewußt ausdruckslos: „Wer sagt Ihnen, daß Sie irren?" Er lenkte ab: „Aber diese Dinge interessieren mich im Grunde nicht. Ich will nur wissen, wer für den Flugzeugabsturz verantwortlich ist. Und wenn Sie’s mir nicht sagen wollen, muß ich andere fragen." Busch legte den Kopf schief. Seine Augen blitzen aufmerksam: „Wen zum Beispiel, verehrter Freund?" Lukowsky antwortete auf gut Glück: „Vielleicht Herrn Valtine." Eine Viertelminute verstrich schweigend. Busch trank von seinem Wein. Offensichtlich rang er mit einem Entschluß. „Gut", seine Stimme gewann einen anderen, einen bestimmteren, Ton: „Ich erwäge, Sie zu engagieren! Das sagte ich ja bereits. Sie bekämen ein anständiges Honorar, eventuell Gewinnbeteiligung." Lukowsky schüttelte langsam den Kopf. Er sog an seiner Zigarette und blies den Rauch aus. Sein Blick wurde hart: „Ich will nur wissen, wer meinem Kameraden die Bombe verpaßt hat. Wer immer es war, er wird nicht mehr alt werden." Busch verlor seine Ruhe nicht: „Benehmen wir uns doch nicht kindisch, Herr Lukowsky! Seit ich von dem Flugzeugabsturz hörte, nahm ich an, mein Gegner – einer meiner Gegner – besitze jetzt unser erstes Zielobjekt. Vielleicht hat es in der Tat einer von ihnen. Ich weiß das momentan nicht – leider nicht!" Er senkte die Stimme, seine Augen verengten sich: „Falls Sie es haben oder etwas über den Verbleib wissen ..." Er sprach nicht weiter, sondern erwartete eine Antwort. Lukowskys Augen wichen dem Blick des älteren Mannes nicht aus. Sekunden vergingen unter plötzlicher Anspannung. Buschs Organ wurde noch eindringlicher: „Ich biete Ihnen die Gelegenheit, an meinem Projekt teilzuhaben, weil ein Mann mit Flugzeug und starken Nerven uns sehr nützlich sein kann. Eine solche Chance wiederholt sich nicht, Herr Lukowsky!" Er hob die rechte Hand: „Und wenn ich Ihnen definitiv etwas sagen kann, so dies: Meine Gegner sind auch die Ihren, falls Sie nach den Schuldigen des Flugzeugabsturzes suchen!" Er ließ die Hand an die Tischkante sinken: „Allein könnten Sie in der Sache ohnehin nichts ausrichten. Selbst dann nicht, wenn das Stück jetzt in Ihrem Besitz wäre! Davon gehe ich aber nicht aus, dazu sind Sie ein zu geradliniger Michel." Das Essen wurde gebracht. Lukowsky wünschte: „Guten Appetit!" Busch dankte und bot auch gute Mahlzeit. Besonders wohl schien er sich jedoch nicht zu fühlen. Lukowsky stellte den Aschenbecher zur Seite: „Übrigens: Ich habe Ihr «Zielobjekt» nicht und kann Ihnen auch nicht sagen, wer es hat." Busch schloß die Augen. Auf einen Moment schien es, als wolle er einschlafen. Doch dann kehrte seine volle Lebenskraft ruckartig zurück: „Aber Sie können es beschaffen!" Er schränkte ein: „Vielleicht können Sie wesentlich zur Beschaffung beitragen. Sagen wir es so." Sein ganzer Körper rückte ein Stück vor: „Die gegenwärtige Lage erlaubt kein Zögern! Dieses Rennen währt schon zu lange, ein halbes Menschenleben lang. Ich will es endlich gewinnen! Und sollten Sie mir dabei nützlich sein können..." Er lehnte den Oberkörper wieder zurück. Seine Rechte wies auf Lukowsky: „Dann werde ich Sie in ehrlicher Weise mit vor meinen Wagen spannen. Nicht zu Ihrem Nachteil! Ich halte etwas von Loyalität, Herr Lukowsky! Ja – soweit es irgend möglich ist." Eine Pause entstand. Lukowsky blickte von seiner Pizza auf. Buschs Gesicht wirkte ernst und energisch. Seine Worte kamen langsam und betont deutlich, ohne dabei laut zu sein: „Ich weiß von Ihrem Schießeisen, das Sie wildwestmäßig herumschleppen und auch gebrauchen." Er schüttelte den Kopf: „Aber ich neige nicht zur Ängstlichkeit. Es geht um zu viel!" Lukowsky sagte: „Ein guter Schuß zur rechten Zeit, schafft Ruhe und Gemütlichkeit." Dabei sah er Busch an, sah ihn so an, daß dieser es als Drohung hätte auslegen können, fand der Spruch aber im Grunde albern. Busch lachte gekünstelt und hob dann hervor: „Ich verlange nichts von Ihnen, was nicht zu Ihrem Vorteil ausschlüge." Sein rechter Mittelfinger zeigte die Bewegung eines Uhrpendels: „Sehr entscheidend zu Ihrem Vorteil, sehr!" Lukowsky beobachtete den pendelnden Finger: „Wollen Sie mir nicht verraten, um was die Jagd denn eigentlich geht?" „Das will ich – verzeihen Sie – noch nicht", entgegnete Busch freundlich, jetzt wieder ganz in der ihm eigenen gemütlichen Art, „sonst hielten Sie mich für einen unverfrorenen Lügner. Doch falls uns Erfolg beschieden sein sollte, werden Sie bald Millionär." Lukowsky winkte ohne Unfreundlichkeit ab: „Wo’s gleich um Millionen geht, bin ich skeptisch, das hab ich schon hinter mir." Und er fügte hinzu: „Um Ihre Meinung über mich bei dieser Gelegenheit zu korrigieren: Krumme Sachen mache ich grundsätzlich nicht – nicht einmal, wenn Sie Millionen einbrächten. Das halten Sie vermutlich für Dummheit!" - „Aber, aber!" besänftigte der alte Herr: „Sie werden doch nicht eine Chance verspielen, die sich – sofern überhaupt – nur einmal im Leben bietet! Für Menschen wie Sie und mich, die sich auf normalen Lebenspfaden langweilen, bedeutet dieses Projekt die große Herausforderung! – Sie mißtrauen mir natürlich!" – Lukowsky bestätigte: „Natürlich! Was erwarten Sie?" Busch legte einen Zeigefinger ans Kinn: „Lassen Sie uns alles in Ruhe besprechen, nicht jetzt. Ich habe einen Partner, mit dem ich zuerst reden muß. Treffen wir uns... Sagen wir: Nächste Woche. Da habe ich wahrscheinlich zusätzliche Informationen – und Sie lernen Peter Fischer kennen. Kommen Sie nach Gerresheim." Er griff einen Bierdeckel: „Hier, ich zeichne Ihnen den Treffpunkt auf..."

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Lukowsky knipste im Büro das Licht an und warf die Tür zu. Er ging durch die großen, fast leeren Räume, zog das Jackett aus und sah zur Uhr: Noch verhältnismäßig früh. Er dachte an die Nachricht von Vera Jörgens, suchte den Zettel hervor und rief an. Sie war nicht im Hotel. Lukowsky nahm sich vor, es später erneut zu versuchen. Er schaltete Meißners tragbaren Fernsehapparat ein. Ein schulmeisterlich predigender Bursche mit dünngerahmter Brille erklärte unter Benutzung zahlreicher unnötiger Fremdwörter seine persönliche Meinung wie ein Prediger zur einzigen und alleinig richtigen. Lukowsky schaltete auf ein anderes Programm, das auch nicht viel Besseres bot, und schaltete aus. Er holte aus dem Nebenraum eine noch ungelesene Zeitung, ließ sie auf den Schreibtisch fallen und setzte sich in den Kunstledersessel. Er blätterte in der Zeitung. In einem Artikel wurde von dem Geschehen im Hotel «Mondial» berichtet. Herrn Alfred Beekn hatte es erwischt, sowie einen der Polizei bekannten Unterweltler. Ein weiterer Krimineller war schwer verwundet, sagte aber nichts Brauchbares aus. Die Polizei ermittle... Zwei grob aufgerasterte Fotos gehörten dazu. Das war’s. Lukowsky dachte über jenes Ereignis nicht mehr viel nach. Er hatte sich nur verteidigt, sich und Beekn, und seine Waffe war legal erworben. Arge Schwierigkeiten würden ihm nicht erwachsen. Aber Ärger und Umstände gäbe es sicherlich, falls man ihm auf die Spur kommen sollte, und das mußte wirklich nicht sein. Lukowsky schmiß das Druckerzeugnis in den Papierkorb, der damit überfüllt war, und zündete sich eine Zigarette an. Dann griff er zum Telefon und wählte die Nummer, die Vera Jörgens ihm aufgeschrieben hatte. Die Telefonistin der Hotelrezeption verband weiter.

Vera Jörgens sagte mit ihrer schönen melodischen Stimme: „Sie haben wohl – guten Abend! – meine Nachricht vergessen?" Lukowsky stützte einen Ellenbogen auf die Tischplatte. Sogar das Telefonieren mit dieser Frau bedeutete Anspannung, Herzklopfen. Ernst Lukowsky war verliebt wie ein Achtzehnjähriger. Er antwortete: „Ich hatte schon angerufen, aber Sie waren nicht da." „Das stimmt", sagte sie: „Ich bin nochmals in der Stadt gewesen, ich meine, in Düsseldorf. Aber jetzt bin ich hier. Ich wollte fragen – Sie waren im Parkhotel? Ich wohnte ja nicht weit, und als ich ein bißchen auf der Heinrich-Heine-Allee entlangspazierte, da sah ich Sie." - „Ich war dort", bestätigte Lukowsky: „Warum fragen Sie?" – „Das zu erzählen würde am Telefon zu weit führen", entgegnete die Frau, und nach einer kurzen Nachdenkpause: „Möchten Sie mich nicht besuchen kommen? Hotel Kaiserhof in Essen. Es erschien mir klüger, vorläufig nicht in Düsseldorf zu wohnen. Aber Essen ist ja nicht weit. Wir könnten uns dann richtig aussprechen." – Lukowsky sagte: „Ich werde kommen, ich fahre gleich los." Er fühlte sich erleichtert, als er den Telefonhörer auflegte und nach seiner Jacke griff; und ein Gefühl romantischer Erwartung breitete sich in ihm aus, so daß er über sich selbst staunen mußte. Es war schon etwas ganz Besonderes, diese Dulcinea zu treffen! Er drehte das Autoradio an. Eine schmachtende Männerstimme besang die Straßen der Nacht. Lukowsky lenkte auf die Autobahn und gab ordentlich Gas. Der Wagen war flott. Die Tachometernadel kletterte wunschgemäß höher und höher. Bunte Lichter huschten zu beiden Seiten vorüber. Aus dem Radio sang eine rauhe Stimme: „When a man loves a woman…"

........

Wie ein einziger großer leuchtender Komplex erschien bald die nahende Stadt. Erst nach und nach schälten sich einzelne Gebäude heraus. Lukowsky fuhr zum Zentrum, lenkte am Bahnhof vorbei zum Hotel Kaiserhof. Blitzsauber geputzte Wagen standen vor dem Portal. Auf deren Lack reflektierten die Leuchtbuchstaben des Hotelnamens über dem Eingang. Lukowsky schritt über weichen Teppichboden. Aus nicht erkennbaren Lautsprechern tönte leise Tangomusik. An einem Fenstertisch des Hotelrestaurants wartete Fräulein Vera Jörgens. Sie trug diesmal ein Kleid in Altrosa. Es hob sich von der elfenbeinfarbenen Gardine ab, vor der sie saß. Schmuck glitzerte an ihrem schlanken Hals, auf dem großen, spitz und tief zulaufenden Kragen, am rechten Handgelenk und an einer Hornspange im braunen Haar, das sie locker vor der linken Schulter zusammengebunden trug, wobei einige ihrer Handbewegungen schnell verrieten, daß es so locker an sich nicht gedacht war, sondern einfach nicht fester hielt. Vera Jörgens konnte die Bewunderung nicht entgehen, obschon sie an solche Blicke sicher gewöhnt war. Ihr Mund lächelte, und ihre großen graublauen Augen strahlten zwischen den geschwungenen Wimpern hervor – Dulcinea! Sie war unfaßbar schön.

Lukowsky trat an ihren Tisch. „Guten Abend!" wünschte Vera Jörgens und reichte die Hand: „Sie müssen geflogen sein! – Was ja auch Ihrem Beruf gemäß wäre!" Lukowsky erwiderte den Gruß und fügte an: „Die Strecke war ziemlich frei." Er setzte sich: „Sie sind wunderschön, Dulcinea!" Fräulein Jörgens wußte das selber sehr gut, sie lächelte souverän: „Das ist lieb, daß Sie das sagen, Don Quijote!" Ein höflicher Ober kam. Lukowsky wollte Kaffee bestellen, doch Vera Jörgens verbesserte: „Nein! Bitte bringen Sie uns geschwind eine Flasche Heitzig!" Der Kellner entfernte sich. Lukowsky sagte: „Ich weiß nicht, ob Sie was zu feiern haben. Ich jedenfalls nicht, ich habe gerade erst einen Freund verloren." Vera Jörgens deutete mit ihren schönen schmalen Händen eine Verlegenheitsgeste an, lange spitze Fingernägel blitzten dabei poliert ohne Nagellack. „Das tut mir leid", sagte die Frau: „Das konnte ich nicht ahnen. Wissen Sie, von Religion halte ich nichts. Aber vielleicht gibt es ja ein Jenseits – ich weiß es nicht. Meine Art ist es, den Toten, den Hinübergegangenen, alles Gute zu wünschen. So wie Menschen, die in einem fernen Land auf Abenteuer gehen. Ich betrachte den Tod auf meine eigene Weise. Vielleicht ist er das dunkle Nichts. Dann tut er nicht weh. Oder hinter dem Tod liegt ein großes Abenteuer – «drüben» in einer anderen Welt?" Sie lächelte: „Ich bin ein bißchen verrückt. Verzeihen Sie mir! Doch dieses Thema hat mich schon sehr beschäftigt." Lukowsky staunte im stillen über diese wundersame Frau. Er sagte: „Vor Jahren probierte ich, ähnliche Gedanken zu finden. Aber ich kam damit nicht weiter." Sie ließ ihren Blick schweifen. Für ein paar Sekunden schien sie weit fort zu sein. Dann sah sie wieder Lukowsky an. Er empfand diesen Blick wie einen warmen Strahl. Die Frau sagte: „Es erscheint mir schlüssig, daß ebenso, wie aus Nichts nichts kommen kann, kein Etwas zu Nichts wird. Richard Wagner läßt seinen «Fliegenden Holländer» singen: «Wenn alle Toten auferstehen, dann werde ich zu nichts zergehen.» Doch die Handlung der Geschichte zeigt, daß der «Holländer» irrt, weil es unmöglich ist, daß ein Etwas zu nichts zergehen kann – wie andererseits aus dem Nichts eben kein Etwas hervorgeht. Das war ja ein frühes Werk Wagners. Später, besonders in Tristan und Parsifal, wurde er viel klarer. Der Gral in Parsifal wird bei Wagner zum Symbol des reinen Blutes, wobei nicht allein das sichtbare, sondern auch das astrale Blut gemeint ist. Was verunreinigt ist, muß sterben, damit der Gral wieder leuchten kann in seiner Reinheit, und die Wunde schließt allein der heilige Speer des reinen Helden, den Parsifal bei seiner Wiederkehr mitbringt." Vera Jörgens deutete ein Kopfschütteln an: „Bitte entschuldigen Sie, Herr Lukowsky! Es gibt einige Punkte, die mich leicht zu weitschweifigen Betrachtungen verführen können. Wagner gehört dazu. Ich möchte Sie nicht langweilen!" Sie legte die Hände aneinander und neigte sich ein wenig vor: „Lassen Sie uns von profanen Dingen reden: Sie sind mit Busch zusammengetroffen?" Lukowsky mußte sich erst auf diesen Gedankensprung einstellen. Er fragte: „Herrn Busch kennen Sie auch?" Vera Jörgens nahm die Hände auseinander und zeigte eine Interesselosigkeit bekundende Geste: „Nicht allzu gut, aber ich kenne ihn. Er ist im Krieg ein Mann von Kaltenbrunner gewesen, aber nachher wohl nicht besonders engagiert – außer für seine persönlichen Interessen. Ihm geht es um’s Geld." Vera Jörges’ Blick wurde aufmerksamer: „Was hat er Ihnen angeboten? Nun? Verraten Sie’s mir! Was hat er gesagt?" „Wie Sie schon meinten: Geld. Von Millionen hat er gesprochen", erwiderte Lukowsky: „Es lohnt sich vermutlich nicht, sich darüber auszulassen." Die Frau ließ einen anscheinend geistesabwesenden Blick durch den Raum schweifen und sprach wie beiläufig: „Millionen, Milliarden, in Gold, in Platin, das Vermögen eines anscheinend untergegangenen Reiches – wer weiß – und todbringend in falschen Händen. Es interessiert mich nur marginal. Aber diese materiellen Werte gibt es. Wenn Sie sich davon nicht packen lassen, ist es gut." Der Ober kam mit dem Champagner. Vera Jörgens erhob sich von ihrem Sitz und gab dem Kellner ein Handzeichen: „Bitte auf mein Appartement, 112/113!" Noch ehe Lukowsky etwas einwenden konnte, wandte sie sich an ihn: „Hier sind zu viele Menschen! Man findet einfach keine innere Ruhe." Sie ging voraus, ohne ihm Gelegenheit zur Gegenrede zu lassen.

Das Appartement 112/113 im ersten Stockwerk war lindgrün mit hellgrauem Arabeskenmuster tapeziert. Auch die Decken waren lindgrün, jedoch heller. Rechts und links eines graugrün bezogenen Sofas thronten mittelgroße Lampen mit gelblichgrünen Schirmchen auf kleinen Podesten. Davor gab es einen Tisch mit dunkler Marmorplatte und einer Spitzendecke, auf dem eine mit weißen und rosa Nelken bestückte Vase stand. Außer dem Sofa, boten sich zwei zu diesem passende Sessel als Sitzgelegenheit an. Grüne Vorhänge verdeckten die beiden Fenster des Raums, von dem aus zwei Türen in ein Schlafzimmer und in ein kleines Bad führten. ......... Vera Jörgens machte es sich auf dem Sofa bequem. Die beiden Stehlampen verbreiteten ein trübes gelbes Licht, dessen Schein kaum zwei Meter weit reichte, jedoch das Sofa und den unmittelbaren Bereich des Tisches hinlänglich erfaßte.

..........

Die Frau setzte sich gerader und sagte ohne emotionale Betonung, so, als spreche sie über Geschäfte: „Das Problem ist, daß es mindestens ein Dutzend Leute gibt, ungute Leute unterschiedlicher Sorte, die nach mir suchen. Die einen bloß, um mich auszuquetschen, die anderen, um mir anschließend der Hals umzudrehen. Und um mich zu finden, brauchen sie einfach nur nach einem brünetten Zopf oder Pferdeschwanz zu fragen wie bei mir. Der ist so auffällig, daß ihn schwerlich wer übersieht. Ihnen fiel das ja auch sofort auf. Und das kann ich mir jetzt nicht leisten. Aber auch wenn ich mir meine langen Haare jetzt abschneiden ließe, würden die schlaueren unter meinen Feinden mich finden. Darum muß ich mich verstecken – zeitweilig zumindest. Und das geht bloß, wenn ich jemanden habe, der mir bei dem, was in der Öffentlichkeit getan werden muß, hilft." Lukowsky fragt ruhig: „Was ist erforderlich?" Vera Jörgens antwortete: „Ich will Sie in nichts hineinziehen, daß Sie mich vielleicht nachher verfluchen! Vielleicht geht auch das meiste auf andere Art. Damit Sie sich aber ein Bild von meiner Lage machen können, ein ungefähres, möchte ich sie Ihnen skizzieren." Valtine will mich vor allem tot sehen. Falls nötig, verzichtet er dafür auf die Hälfte der Schätze der Erde – uns das will bei seiner Habgier etwas heißen. Mich umzubringen, oder umbringen zu lassen, hat für ihn aber absolute Priorität. Das ist schlüssig, denn er weiß, daß ich meinerseits ihn umbringen will. Sie wissen es auch, ich habe es Ihnen gesagt. Valtine hat Leute, Einfluß und Geld. Er kann wahrscheinlich auch mit der stillschweigenden Unterstützung einiger bundesdeutscher Stellen rechnen, wenn auch nicht offiziell. Das weiß ich nicht genau. Er ist deutscher Staatsbürger, und das sagt sicher etwas aus. Ich bezweifle, daß die Amerikaner ihn unterstützen, wenigstens von den offiziellen Institutionen glaube ich das nicht. Die Amerikaner sind nicht die Schlimmsten, das muß man sagen, bis auf Ausnahmen. Valtine wechselt seine Handlanger oft, teils aus Taktik, teils weil ihm welche abgemurxt werden. Man weiß nie, ob der Mann am Nebentisch im Café oder der in der Telefonzelle, an der Sie vorbeikommen, nicht ein gedungener Mörder ist oder zumindest ein Spitzel, der Sie dem Henker meldet – beziehungsweise mich. Bin ich leicht aufzuspüren, erwischt er mich bald und macht mir den Garaus, anzunehmender Weise nach zuvoriger Tortura wie weiland bei der spanischen Inquisition, denn sein Haß ist aufgestaut, und das liegt ihm sowieso. Ehe ich ihm in die Hände falle, bringe ich mich selber um, dazu bin ich fest entschossen. Erwischt mich bloß einer seiner gedungenen Schurken, geht es hoffentlich schmerzlos. Ein Schuß in den Rücken, direkt durch den dort hängenden Pferdeschwanz. Das wäre also Valtine samt Mischpoche. Nächst dieser unerfreulichen Bagage gibt es Angehörige zweier Geheimdienste, von denen die einen, die offiziell agieren, mich weder foltern noch umbringen wollen, aber so lange festsetzen, bis ich ihnen sage, was sie erfahren wollen. Das Dumme daran ist, daß ich es selber nicht weiß, beziehungsweise nur wenig, was mir jedoch keiner glaubt. Aber wenn ich etwas wüßte, würde ich es auch nicht verraten. Ich glaube, ich wäre notfalls sehr zäh. Aus dieser Richtung gibt es aber auch einen Mann nebst Gehilfen, der sich halb verselbständigt hat und sich um die Weisungen seiner Dienststelle einen feuchten Staub kümmert. Er ist nicht wie Valtine, er foltert nicht aus Vergnügen, sondern bloß pragmatisch. Im Effekt ist es aber sicher nicht angenehmer, und, wie gesagt: selbst wenn ich eine Verräterin wäre, die ich nicht bin, hätte ich die von mir erwarteten Informationen nicht – noch nicht. Zuletzt erwähne ich Busch und Fischer. Die sind nicht brutal, aber erwischen lassen möchte ich mich auch von den beiden nicht. Was genau sie im Fall des Falles täten, weiß niemand. Wo es um so viel geht, daß die Gier Geist und Seele verschlingen kann, ist jede unangenehme Überraschung einzukalkulieren. „Darum suchte ich nach dem Mann namens Weiss, als wir uns begegnet sind. Er gilt als der beste in seinem Fach; das heißt als der gerissenste und zugleich kompromißloseste, er erledigt jeden Widersacher sofort. Solche Leute sind rar, im noch immer einigermaßen zivilisierten Mitteleuropa besonders. Ich bin über Herrn Weiss durch einen Freund meines Vaters unterrichtet. Leider ist die Information aber nicht griffig genug, und den Mann, der mir Näheres sagen könnte, erreiche ich zurzeit nicht, er scheint auf Reisen zu sein. Aber gerade jetzt spitzen die Dinge sich zu. Es ist nämlich so – das muß ich Ihnen jetzt dazu sagen, - daß ich etwas auch eigene Faust probieren möchte, wovon meine Freunde, beziehungsweise die Freunde meines Vaters, nicht wissen sollen. Es gibt solche Freunde, aber die meinen, ich sollte nichts riskieren. Sie finden auch, es sei nicht die richtige Zeit. Doch das sehe ich anders. Wenn es die Möglichkeit gibt, etwas Sinnvolles zu tun, soll man es nicht unterlassen, auch nicht aus Vorsicht. Das ist meine Meinung." Die Frau konzentrierte ihren Blick in den seinen: „Würden Sie mir den Rücken freihalten wollen? Auch für einen längeren Zeitraum? Die Kosten könnte ich tragen!" Lukowsky antwortete: „Ich bin kein Verbrecher, aber ein alter Soldat, der auch manches mitgemacht hat. Warum vertrauen Sie nicht mir nicht einfach?" Nun lächelte die Frau wieder: „Das tue ich! Wären wir anderenfalls jetzt beisammen?" Sie neigte sich vor: „Es könnte sein, daß sich Dinge bewegen oder Ihnen begegnen, die durch mich ausgelöst wurden, auch wenn Sie das nicht wüßten. Sie könnten es nicht wissen, weil ich ja irgendwo in Deckung ginge und auch nicht immer erreichbar wäre. Es würde sich entwickeln, vielleicht von mehreren Seiten; zum Teil durch mich veranlaßt, direkt oder indirekt, zu einem anderen Teil aber auch ganz unberechenbar. Sie müßten sehr aufpassen – viele Hunde sind des Hasen Tod. Aus der Bedeckung heraus würde ich zugleich wenigstens die nötigste Operationsfreiheit haben."

......... Jetzt lächelte sie wieder: „Lassen Sie uns über das grüne Paket sprechen und über ein paar irdisch-einfache Dinge, die uns beide angehen." Sie wurde sachlich: „Seit nun beinahe zwei Jahren weiß ich von der Geschichte eine Reihe von Einzelheiten. Einige Streiflichter kannte ich schon früher, doch ergaben sie damals für mich keinen Zusammenhang und ich hatte auch keine Ursache, mich dafür zu interessieren. Ich will trotzdem zuerst von jenen ersten Streiflichtern reden. Das war, als mein Vater noch lebte." Sie unterbrach sich und sah Lukowsky mit ihren großen dunklen Augen an, die fast die Farbe des Atlantischen Ozeans am Morgen hatten: „Ich werde Ihnen jetzt manch Persönliches erzählen, wie es sonst nicht meine Art ist. Ich vertraue Ihnen. Darüber wundere ich mich selbst."

..........

Ohne Übergang fing sie an zu erzählen: „Ich komme aus einer sogenannten guten Familie, Großkaufleute seit Generationen. Väterlicherseits stammen wir aus Südschweden, mütterlicherseits aus dem Westfälischen. Wir waren recht wohlhabend, ich bin es noch. Mein Vater ist während des Kriegs Marineoffizier gewesen. Bis 1942 fuhr er zur See, zeitweilig auf einem Hilfskreuzer, zuletzt auf einem Zerstörer. Dann wurde er zur Abwehr gerufen, zu Admiral Canaris. Vor allem, weil mein Vater perfekt Schwedisch und Dänisch sprach. Er übernahm einige Geheimaufträge in Skandinavien, über die ich nichts weiß. Mitte 1944 kehrte mein Vater nach Deutschland zurück. Er wurde zu einer Sonderabteilung kommandiert, die mit den geheimnisumwobenen Wunderwaffen zu tun hatte. Ich weiß, daß es unter anderem darum ging, spezielle unterirdische Anlagen zu errichten, die unauffindbar sein sollten, notfalls über lange Zeiträume. Admiral Canaris sah voraus, daß Deutschland den Krieg verlieren könnte, wie es für jeden klar- und weitsichtigen Menschen erkennbar war. Canaris durfte über seine Sorgen natürlich nicht sprechen, sonst wäre er an die Wand gestellt worden. Mein Vater hat wohl zu den wenigen gehört, denen er zum mindesten einiges anvertraute. Für den Fall der Niederlage, die vielleicht durch neue Waffen noch abgewendet werden konnte, aber wahrscheinlich eben nicht, wollten Canaris und einige enge Gefolgsleute spezielle Vorkehrungen treffen. Es wird oft behauptet, Canaris sei zum Verräter geworden, aber das ist nicht wahr. Vielmehr kannte gerade er durch seine Position die Maulwürfe. Mein Vater hat oft über die Geschehnisse und Zusammenhänge von damals gesprochen, soweit er das durfte, denn die Vergangenheit ließ ihn nicht los – weil all das für ihn eben nicht Vergangenheit war, sondern Teil der Gegenwart und sogar der Zukunft… ja, der Zukunft. Und er kannte sich recht gut aus. Canaris ist ein höchst kultivierter Mann gewesen und sicherlich kein Nationalsozialist. Er sah die Fehler dieser Führung ganz genau, von anfang an. Er wollte aber dazu beitragen, den Untergang des Reiches zu verhindern. Auch andere sind sicher anständige Leute gewesen, von denen heutzutage fast nur schlecht geredet wird, aber den meisten fehlte der Weitblick." Vera Jörgens hob ganz leicht einen Finger und betonte: „Admiral Canaris hat den Weitblick gehabt. Er inspirierte auch die deutschen Antarktis-Unternehmungen! Wissen Sie, daß uns – eindeutig gemäß Völkerrecht – ein großes Stück des antarktischen Erdteils gehört?" Da Lukowsky den Kopf schüttete, erklärte die Frau: „1938 fuhr das deutsche Schiff «Schwabenland», das zuvor der Lufthansa als Flugzeugstützpunkt diente, mit zwei Dornier-Wal-Flugbooten an Bord zur Antarktis. Der Kapitän des Schiffs hieß Kottas, und der Leiter des Unternehmens Alfred Ritscher. Das wurde eine Expedition von besonderer Art, denn Ritschers Flugzeuge entdeckten eisfreie Gebiete, auch eisfreie Seen – anders, als man sich die Antarktis heute gemeinhin vorstellt. Unsere Leute kartographierten mittels 11600 Luftaufnahmen über 350’000km2 und warfen Reichsflaggen zum Zeichen der Inbesitznahme ab – also völkerrechtlich korrekt. Insgesamt wurde ein Gebiet, das etwa der Größe des damaligen Deutschland entsprach, für Deutschland in Besitz genommen. Nach dem Namen ihres Schiffes nannten sie dieses neue reichsdeutsche Gebiet: «Neuschwabenland»! Der Anfang war aber sehr viel früher, schon 1915. Damals war Canaris mit dem Kreuzer «Dresden» in der antarktischen Region, er hatte auch vorgelagerte Inseln betreten. Daß geheime Stützpunkte dort für Deutschland einmal wertvoll sein könnten, dachte er sich vermutlich schon damals. Seit 1936 befürchtete Canaris einen erneuten Krieg mit England, das hieß dann mit Amerika – also einen neuen Weltkrieg gegen Deutschland. Der damalige Großadmiral Raeder teilte diese Befürchtung. So wurde die erste Antarktis-Unternehmung ins Werk gesetzt, die 1938 zur Ausführung gelangte. Dann wurden auch verborgene Stützpunkte auf Feuerland angelegt, die sich später als sehr wichtig erwiesen. Im Jahr 1939 gab es eine weitere Expedition in die Antarktis, doch diesmal unter strenger Geheimhaltung. Inzwischen hatte Canaris mit einem Deutschen namens Gustav Winter in Spanien Verbindung aufgenommen und diesen für die Mitarbeit bei der Abwehr gewonnen. Gustav Winter hatte die ganze Halbinsel Jandia auf Fuerteventura gekauft, auf den Kanarischen Inseln im Atlantik. Er wollte dort wirtschaftlich tätig werden. Als geheimer Luft- und U-Boot-Stützpunkt war Jandia ideal – natürlich auch im Hinblick auf die Verbindung zu deutschen Stützpunkten in der Antarktis. Mit stiller Duldung der spanischen Regierung, wurde ein unauffälliger Flugplatz angelegt; außerdem wurde eine tief in das Vulkangestein der Insel reichende Grotte für U-Boote zugänglich gemacht. Ab 1940 waren dann auch einige deutsche Flugzeuge dort stationiert, Jäger, deren Aufgabe es war, eventuell auftauchende feindliche Aufklärer abzuschießen, damit das Geheimnis gewahrt bleiben konnte. Das klappte vorzüglich, noch nach Kriegsende ahnten unsere Gegner nichts von diesem geheimen deutschen Stützpunkt. Noch bis zuletzt sollen große sechsmotorige Flugzeuge diese Zwischenstation benutzt haben, um Südamerika zu erreichen. Seit der Feind dann später darauf kam, wurde Jandia samt der dort erbauten Villa Winter unter militärische Beobachtung gestellt. Das ist noch heute so – als ob unsere Gegner von dort noch etwas befürchteten. Wer weiß, vielleicht haben sie Ursache dazu." Vera Jörgens strich sich mit dem Mittelfinger ihrer rechten Hand leicht über die Stirn, als wolle sie diese Schilderungen verwischen. „Verrat, aus der Sicht des deutschen Volkes, hätte und hat Admiral Canaris niemals begangen, wie inzwischen manche denken. Das ist im Grunde auch ganz klar, denn weder von dem Geheimstützpunkt Jandia noch von so vielen Unternehmungen der „Division Brandenburg", die Canaris unterstand, hat der Feind erfahren. Canaris war nur sehr klug, er wußte seine Unternehmungen zu tarnen!" betonte die Frau: „Er wußte auch, daß unsere Feinde das deutsche Volk bekämpften, nicht etwa nur den Nationalsozialismus, wie das heutzutage oft irreführend dargestellt wird. Dessen angebliche Bekämpfung diente bloß als Nebel, um die wirklichen alliierten Ziele zu verdecken. Ein politischer Umsturz hätte in dieser Situation also höchstens Verwirrung gestiftet, aber keinen Frieden gebracht. Canaris war der Meinung, der Kampf müsse unter allen Umständen so lange durchgehalten werden, bis sich ein deutliches Zerwürfnis zwischen den Westmächten und der Sowjetunion abzeichnen würde, so daß die Hebel der Zange nicht mehr reibungslos funktionierten; das allein könne uns vor Vernichtungsplänen à la Kaufman und Morgenthau retten. Dabei wußte er natürlich, daß West und Ost nie Feinde sein würden, sondern nur Rivalen. Das, was dann der „Kalte Krieg" genannt wurde, war von Anfang an ein Affentheater. Aber Rivalität, die hat sich entwickelt. Als Chef unseres Geheimdienstes, hatte Canaris hervorragende Informationen aus aller Welt und wußte daher, wie die Dinge standen. Er rechnete damit, daß uns, wenn wir den Krieg verlieren, sehr schlimme Zeiten bevorstehen und es selbst im günstigsten Fall Jahrzehnte dauern müßte, ehe Deutschland eine neue Chance erhalten könnte, sich wieder zu erheben. Canaris war zwar kein Nazi, aber von der westlichen Demokratie hat auch nichts gehalten. Seine Pläne waren daher ungewöhnlich langfristig angelegt. Unter anderem sollten Wertgegenstände, vor allem Gold und Diamanten, in verborgenen Anlagen deponiert werden. Es ergab sich dann wohl, daß noch große Mengen Platin hinzukamen. Aber im besonderen ging es darum, eine ganz bestimmte, eine einzigartige, Geheimwaffe für kommende Zeiten in Sicherheit zu bringen. Es soll sich um eine wirkliche Wunderwaffe handeln, deren Überlegenheit so enorm ist, daß sie sogar nach Jahrzehnten noch effektiv sein würde. Manche meinen, es seien erste Atombomben gewesen – denn die hatten wir wahrscheinlich schon im Oktober 1944. Weil sie aber wie das geächtete Giftgas eingestuft wurden, kamen sie nicht zum Einsatz, genau wie der Kampfstoff Tabun nicht angewendet wurde. Admiral Canaris hätte solch ehrlose Mittel auch kaum benutzt. Die Superwaffe – die sogenannte ‚Letztschlagwaffe’ – dürfte also doch etwas anderes sein. Es heißt auch, es sei sichergestellt worden, daß über die neuartige Technik der Superwaffe nichts in Feindeshand fallen konnte, nicht einmal ein näherer Hinweis auf sie. So sollte eine kommende Generation die Möglichkeit erhalten, einem neuen freien Deutschland wieder den Respekt der Welt zu verschaffen. Canaris dachte noch nicht europäisch, sondern national, was inzwischen vielleicht als überholt angesehen werden muß, da bin ich mir nicht sicher, das muß wohl erst die Zukunft noch zeigen. Für Canaris stand der Reichsgedanke über allem, das steht fest." Vera Jörgens nahm ihr Glas, trank einen winzigen Schluck und erklärte: „Damals gab es solchen Patriotismus. Mein Vater war auch noch so. Das hat mich wohl ein wenig angesteckt, obwohl mich Politik sonst nicht interessiert, und was heutzutage so Politik genannt wird, die alle denselben Kräften dienenden Parteien, schon gar nicht." Sie stellte das Glas auf den Tisch zurück und erzählte weiter: „Zur Verwirklichung seiner Ziele plante Canaris eine streng geheime Kette von Wissensträgern ins Werk zu setzen, die über mehrere Generationen halten würde. Das war seine Idee. Sie mußte natürlich vollkommen geheim bleiben, gegenüber Feind und Freund. Er trieb die Verwirklichung des Plans voran und ging lieber in den Tod, als dieses Vermächtnis zu verraten. Während er inhaftiert war, über ein Jahr, unterhielt Himmler Verbindung zu ihm, das steht fest. Auch zu Schellenberg, Kaltenbrunner und Kammler bestanden Kontakte. Ob diese Leute, oder auch Hitler selbst, eingeweiht waren, das weiß wohl niemand. Schellenberg dürfte eine wichtige Rolle gespielt haben. Davon weiß ich nicht viel. Kaltenbrunner war wohl ein guter geheimdienstlicher Organisator gewesen. Auch darüber bin ich nicht näher orientiert. Die SS muß etwas davon gewußt haben, denn diese baute ja ihr eigenes Netzwerk, und da arbeiteten Abwehr und SD zusammen. Es hat aber auch da sicher verschieden eingestellte Personen und Gruppen gegeben. Sicher sind Spezialeinheiten wie die Division Brandenburg und das Kampfgeschwader 200 da wie dort beteiligt gewesen. Ich glaube, daß Schellenberg wichtiger war als viele annehmen, und vielleicht auch Kaltenbrunner. Aber der Meister des Ganzen war ohne jede Frage Canaris. Über Kammler weiß ich sehr wenig. Da er zwangsläufig eingeweiht war, schon wegen der Bauwerke, die ja sein Ressort waren, dürfte auch Hilter über diese Plänen unterrichtet gewesen sein, wenigstens in groben Zügen. Hans Kammler hat Hitler besonders zuletzt wohl sehr nahegestanden. Dönitz hat höchstwahrscheinlich davon gewußt, hat wenigstens die Grundidee gekannt, aber scheinbar nur das Nötigste für die ihm zugedachte Aufgabe. Dafür wäre Dönitz auch nicht der richtige Mann gewesen. Es ging ja in Wahrheit nicht um einen Krieg zwischen Staaten während einiger Jahre oder Jahrzehnte, sondern um den großen Kampf zwischen Licht und Finsternis, der schon seit der Kreuzigung von Jesus Christus andauert. Da kommt Religiöses und Esoterisches ins Spiel, was mich persönlich nie sonderlich interessiert hat. Trotzdem habe ich eine gewisse Ahnung, wie all das zu verstehen ist – oder vielleicht eher: zu empfinden. Für andere war das Spirituelle sehr wichtig, vielleicht sogar das Wichtigste überhaupt. Canaris hat das alles genau gewußt, er war ein Weiser, ein Eingeweihter der höchsten Mysterien. Er muß ein großartiger Mensch gewesen sein. Mein Vater sprach von ihm voller Bewunderung." Vera Jörgens hob ihr Glas, und sagte: „Auf Admiral Canaris! Er hat gewußt, daß dieser Krieg, der große Krieg um eine neue Zeit, nicht auf den sichtbaren Schlachtfeldern entschieden wird, sondern durch jene Krieger, die wiedergeboren werden im Geiste!" Sie nahm abermals einen winzigen Schluck und fuhr dann mit dem Erzählen fort: „Mein Vater hatte eine heroische Ader. Daß wir den Krieg verloren haben, hat er nie völlig verwunden. Er war kein Freund der damals Herrschenden, pflegte aber das angelsächsische Sprichwort zu zitieren: «Right or wrong – my country!», und er träumte vom Wiederaufstieg des Reiches. Ja, er ist sicher Zeit seines Lebens ein Romantiker gewesen! Aus Gründen der Ehre hat er sich dann vor nun fünf Jahren erschossen. Er fürchtete wohl auch, gewisse Leute könnten ihn durch Drohungen gegen seine Familie zum Verrat zwingen wollen." Die Frau ließ den Blick durch den Raum schweifen und sprach unterdessen: „Die meisten denken, der Zweite Weltkrieg sei aus." Ihr Blick richtete sich wieder auf Lukowsky, und ihre Augen wirkten nun hart, ihre Stimme nahm einen strengen Klang an, ohne lauter zu werden: „Das ist ein Irrtum! Wir haben nur Waffenstillstand. Von Frieden keine Rede. Das Reich hat nie kapituliert, sondern lediglich die Wehrmacht. Alles ist offen!" Nach einer winzigen Pause sprach sie in einem weniger strengen, aber nach wie vor sachlichen Tonfall weiter: „Es gibt Leute, die davon überzeugt sind, mein Vater sei einer der Wissensträger jener geheimen Kette gewesen. Das stimmt und stimmt auch nicht; es ist nicht so, wie die bewußten Leute es sich ausmalen. Dieselben Leute glauben auch, als seine Erbin hätte ich jetzt das heißbegehrte Wissen. Das stimmt ebensowenig. Ich sage es Ihnen, ehe sie von anderen solchen Unfug erzählt bekommen. Ich kenne lediglich den großen Bogen des Ganzen. Ob Canaris seine Idee überhaupt noch bis zur letzten Konsequenz verwirklichen konnte, weiß ich auch nicht. Mein Vater glaubte daran. Aber das könnte auch Wunschdenken gewesen sein." Sie nahm nochmals ihr Glas, stellte es aber ohne zu trinken zurück: „Friedrich Busch, den sie trafen, war beim SD – übrigens auch Beekn. Die beiden waren also nicht bei derselben Dienststelle wie mein Vater, aber es gab Berührungspunkte. Busch ist ein Besessener. Ihm geht es, wie ich schon sagte, um die versteckten Wertsachen, das Platin, das Gold, die Juwelen. Um diese Schätze geht es auch Valtine. Er ist ja gebürtiger Amerikaner, war im Krieg Agent der Gegenseite. Als die Engländer und Amerikaner merkten, daß Valtine private Ziele verfolgte, gaben sie ihm den Laufpaß. Bei Busch verhielt es sich ähnlich. Die beiden kennen sich schon aus der Kriegszeit. Sie rennen beide dem großen Reichtum nach. Sonst interessiert solche Personen nichts. Von mir nehmen sie an, ich hätte den Schlüssel zu dem Reichtum, den sie sich ersehnen; aber ich habe höchstens den Schlüssel zu ihrem Grab, auf alle Fälle für Valtine!" Sie betonte: „Ich bin nicht gegen ihn, weil er Amerikaner ist! Die meisten Amerikaner sind anständige Leute. Ich kenne welche. Valtines Nation ist das Geld, ganz gleich welcher Währung. Er würde sein Land zu jeder Stunde für eine Handvoll Silberlinge verraten, ohne Gewissensbisse zu haben." All dies sprach Vera Jörgens ohne erkennbare Emotion. Sie packte mit beiden Händen ihre Haare und warf sie erneut hinter die Lehne, so daß sie nicht gleich wieder vorgleiten konnten. Unterdessen blieb sie in ihrer Rede weiterhin sachlich: „Ich weiß vom Hörensagen, daß Busch, Beekn und Valtine sich nach dem Krieg zunächst zusammentaten, um an die von den Canaris-Getreuen versteckten Schätze heranzukommen. Die drei nahmen auch Verbindung zu meinem Vater auf. Sie meinten, er könnte Einzelheiten über die geheimen unterirdischen Anlagen wissen. Er wußte sogar einiges. Doch das nahm er mit in sein Grab. Busch spielte ihm den Idealisten vor, und das wirkte leider." Vera Jörgens schüttelte den Kopf: „Lassen wir diesen Aspekt, er gehört nicht mehr unmittelbar zur Sache." Sie schloß für eine Sekunde die Augen und schwieg. Dann berichtete sie in nüchternem Tonfall weiter: „Busch, Beekn und Valtine zerstritten sich. Jeder ging von da an seiner eigenen Wege. Valtine heuerte Leute an, Busch blieb mit Beekn in Kontakt und tat sich außerdem mit einem gewissen Peter Fischer zusammen. Ich glaube, Doktor, aber er benutzt den Titel nicht. Dieser Peter Fischer soll erst beim Auswärtigen Amt tätig gewesen sein, dann für den MAD und den BND, den Bundesnachrichtendienst. Dieser deutsche Geheimdienst wird von Außenstehenden oft unterschätzt! Menschen, die sich auskennen, halten ihn für den besten der Welt. Da haben nur sehr gute Leute eine Chance. Fischer galt als einer der besten. Es heißt, er machte eine steile Karriere. Das weiß ich aus den Freundeskreisen meines Vaters, es stimmt also sicher. Vom BND kam Fischer zum MAD – Militärischer Abschirmdienst – oder umgekehrt. Da gibt es Informationslücken, dieser Peter Fischer ist nicht leicht zu durchschauen. Dem scheint der Geheimdienstler im Blut zu liegen. Es soll wohl so gewesen sein, daß er wegen einer bestimmten Angelegenheit sozusagen vom BMD an den MAD ausgeliehen wurde. Dann geschah aber etwas ganz Ungewöhnliches: Fischer wurde entlassen. Da muß etwas sehr Schwerwiegendes vorgefallen sein, denn er war ja Beamter. Wir glauben, daß es mit dem Z-Plan zu tun hatte, wenigstens indirekt. Auch bundesdeutsche und NATO-Stellen scheinen diesem Canaris-Erbe auf der Spur zu sein. Denen dürfte es um die sagenhafte Geheimwaffe gehen. Das spricht dafür, daß es sie wirklich gibt. Fischer wurde wegen Eigenmächtigkeiten entlassen, so viel weiß ich. Er soll gewonnene Erkenntnisse den Westmächten vorenthalten und sogar die entsprechenden Unterlagen vernichtet, beziehungsweise entwendet haben, schon vor längerer Zeit. Er hat, wie gesagt, den Ruf sehr geschickt zu sein. Es gibt Gerüchte, in der Bundeswehr, bis ins Verteidigungsministerium hinein, gebe es Kreise, die nationale Alleingänge anstreben. Es wurde auch schon gemunkelt, der alte Sozi Herbert Wehner sei da mit im Bunde gewesen. Das ist aber fraglich. Auf alle Fälle: nationale Bestrebungen gibt es, und so auch im MAD und im BND. Dabei geht es wohl darum, die Gefahr eines auf Deutschland, beziehungsweise Mitteleuropa, begrenzten Atomkriegs zu auszuschalten. Es soll auf Seiten unserer sogenannten Verbündeten Leute und Gruppierungen geben, die solch einen begrenzten Atomkrieg planen, als Ersatz für den Morgenthau-Plan, gewissermaßen. Ob das stimmt, weiß ich nicht, aber es klingt nicht unmöglich. Auf alle Fälle: Fischer wurde auch von amerikanischen Dienststellen mehrfach verhört, dürfte jedoch nichts gesagt haben. Da ist er sicher kein einfacher Gegner. Er ist Mitte Dreißig oder einiges drüber und ein komischer Kauz. Er glaubt an Magie, ist aber patriotisch eingestellt – vielleicht der einzige von denen im Umfeld, der nicht bloß ans Materielle denkt. Man darf ihn nicht unterschätzen. Busch und er hängen andauernd zusammen. Die beiden sind keine gewalttätigen Kriminellen, nicht so wie Valtine und Co., aber nicht weniger fanatisch, und Fanatiker sind immer gefährlich. Insofern kann auch dieses Duo unangenehm werden. Zu schlechterletzt stochern auch noch diverse Geheimdienstbeamte unterschiedlicher Couleur in dieser Angelegenheit herum. Die meisten tappen da wohl im Dunklen, aber vielleicht nicht alle. Ich erzählte ja schon ein bißchen von meinen Widersachern. Und die Wahnsinnigen auf der Fährte von Admiral Canaris’ heimlichem Erbe vermehren sich wie die Karnickel."

Vera Jörgens schloß auf einen Moment wieder die Augen und legte den Kopf in den Nacken, als müsse sie einen Anfall von plötzlicher Müdigkeit überwinden. Lukowsky bewunderte die große schlanke Frauengestalt auf dem Sofa, sah ihre langen ausgestreckten Beine, die nicht ganz ausreichend vom Stoff des altrosa Rocks bedeckt wurden, die atemberaubend schmale Taille, die prächtigen Brüste, die unter dem Oberteil des Kleides mit dem V-förmigen Ausschnitt deutlich sichtbar waren, den geschwungenen Hals, den schönen Kopf mit einem Frauengesicht, wie es kein zweites gab, und zu dem allen ihre bestaunenswürdigen Haare, zu denen sie selbst offenbar manchmal ein ambivalentes Verhältnis hatte. Mühsam zwang er seine Phantasie in die gehörigen Schranken. Vera Jörgens massierte mit den Fingerspitzen einer ihrer schmalen Hände die rechte Schläfe, ehe sie die Augen wieder aufschlug und Lukowsky ansah. Ihr Blick war ruhig, souverän, der Blick einer Frau, die Herrin über alles zu sein schien – in diesem Moment über Ernst Lukowsky. Und er wußte, daß sie sich seiner zu Recht vollkommen sicher war. Sie besaß Macht über ihn, eine geradezu magische Macht.

......... Vera Jörgens sprach: „Nun fragen Sie sich, was hat Vera mit alledem zu schaffen?" Sie lächelte – als freue sie sich darauf, die Antwort auf diese von ihr selbst gestellte Frage zu geben: „Einen Aspekt erwähnte ich schon: Es gibt Leute, die in mir eine Trägerin geheimer Kenntnisse vermuten. Doch das berührt mich nicht weiter, als daß ich vor diesen Leuten auf der Hut bin." Ihr Gesicht wurde wieder ernst: „Zwei Punkte sind es, die mich daran interessieren. Erstens: Das Geheimnis, zu dessen Hütern sich mein Vater zählte, darf nicht in falsche Hände geraten. Er hat darauf einen Eid geschworen. Er glaubte fest an dieses Geheimnis und an dessen Bedeutung. Ich bin es meinem Vater schuldig, zu tun, was ich tue. Ich glaube, es ist nötig, jetzt zu handeln, weil die anderen, über die ich Ihnen erzählte, sonst zum Erfolg kommen könnten. Man sollte sich nicht einfach darauf verlassen, daß die es nicht schaffen werden. – Zweitens: Ich will den Kopf von Mark Valtine. Dafür habe ich ganz persönliche Gründe." Vera Jörgens sah Lukowsky fest an, hinter ihren Augen loderten auf einmal wilde Feuer: „Verstehen Sie mich bitte recht: Ich meine das wörtlich: Ich will, daß ein Ritter den Drachen tötet und ihm den Kopf abschlägt! Ich will Mark Valtines Kopf in einem Korb oder Karton und in grünem Packpapier. Durch ein grünes Paket setzte der Drache viel Unheil in die Welt – in einem grünen Paket will ich seinen abgeschlagenen Kopf! Es würde auch genügen, wenn er zerschmettert würde." – Ihre Augen funkelten, ihre Wangen glühten. Sie legte den Kopf in den Nacken und sprach mit einem Ausdruck von Stolz: „Denken Sie daran, was ich Ihnen gesagt habe: Ich trage in meiner Brust statt eines schlagenden Herzens einen kaltglühenden Stein! Ich bin Wotans letzte Walküre, gerecht und gnadenlos. Sie müssen sich entscheiden – in dieser Stunde – ob sie sich an meine Seite stellen wollen oder nicht!" Die schöne Frau sah Ernst Lukowsky an, mit ihren großen Augen, die die jetzt Farbe des Nordatlantiks hatten. In ihrem ganzen Körper schienen jetzt eisig rasende Feuer zu brennen, aus ihrem Blick strahlte das Unfaßbare. Ernst Lukowsky wurde es heiß. Es gab keine zweite Frau wie diese. Er sprach, und der Klang seiner Stimme kam ihm ungewohnt vor, als töne sie von weither herbei: „Ich habe es gesagt: Sie können auf mich zählen!" Sie nickte ihm zu und sagte nur: „Gut!"

Mehrere Augenblicke verstrichen in einer vibrierenden Anspannung, von der nichts zu sehen, aber alles zu spüren war. Die Augen dieser jungen und doch so entschiedenen Frau blieben fest in die des Mannes gerichtet, ruhig, prüfend, als wolle sie sich innerlich nochmals vollkommene Sicherheit geben, die richtige Wahl getroffen zu haben. Sie schien zufrieden zu sein. Die Spannung löste sich. Die Frau lächelte: „Ich freue mich! Es wird gut werden. Und der Nibelungenhort wird Ihre Beute sein. Auch das ist nicht übel! Ich bin alles andere als eine Materialistin, doch wir leben nun einmal in einer Welt, in der Geld zu haben notwendig ist, will man etwas bewirken." Lukowsky fragte: „Wie soll es weitergehen?" Vera Jörgens sagte: „Bedenken Sie zunächst gut: Wir haben es mit Wahnsinnigen zu tun, mit Besessenen, die wie von einem Fieber getrieben werden. Das trifft jedenfalls auf Valtine und Busch zu. Diese beiden sind die Hauptakteure." Die Augen der Frau leuchteten auf. Ihre Hände begleiteten jedes Wort mit einer kleinen unterstützenden Geste: „Es geht eine Faszination von diesen Dingen aus, eine Kraft, vielleicht die Kraft einer Idee... Sehr merkwürdig – sogar für mich." Vera Jörgens kehrte zur Form allgemeiner Unterhaltung zurück: „Dieses falsche grüne Paket, das Sie Beekn überbracht haben, hat eine kuriose Geschichte, die Sie jetzt kennen sollten: Valtine brachte es als Täuschungsmanöver in Umlauf. Zumindest denke ich, daß diese Attrappe noch immer umhergeistert. In einem grünen Paket befanden sich einmal Juwelen des SD, die nicht mehr in Sicherheit gebracht werden konnten – Juwelen oder eine spezielle antike Kostbarkeit; das ist umstritten, es ist jetzt nicht so wichtig. Mein Vater meinte, beides könnte eventuell zutreffen. Vor allem aber soll dieses Paket Pläne oder Skizzen mit Hinweisen auf die geheimste der «Z-Anlagen» enthalten haben – «Z», das steht für «Zukunft» oder «Ziel». Zur Tarnung wurde es auch gespiegelt und «S» genannt, auch der Code «W» war im Gespräch. Ich weiß nicht definitiv, ob jenes ominöse grüne Paket – das echte – je existiert hat. Aber einiges spricht dafür. Dann wäre es viele Millionen wert – allein das Paket. Valtine, Busch und Fischer sind davon überzeugt, daß es existiert. Sie sind ganz versessen auf dieses grüne Paket. Obskurer Weise taucht die Attrappe immer wieder einmal auf, und Valtine jagt jetzt seiner eigenen Finte nach. Das richtige grüne Paket hat, so weit ich weiß, noch niemand gesehen. Bedeutender ist ohnehin, was hinter alledem steckt. Wir werden darüber ein andermal weiterreden!" Sie lächelte müde, doch ihre Stimme wurde nochmals nachdrücklich: „Sie wissen: Jetzt muß ich erst einmal dafür sorgen, daß mich keiner der unguten Leute findet und behelligt oder mir gleich den Hals umdreht." Sie ließ einen leisen Seufzer hören und meinte: „Das Verrückte ist: Ohne die Gruselgeschichten von meiner Tante Sophie, hätte ich vermutlich längst eine kurze Frisur, so wie Yvonne, und das würde mir bestimmt sehr gut stehen." Lukowsky warf ein: „Ich mag Ihre Tante! Wenn ich mich recht besinne, heißt Sophia: Weisheit." Vera Jörgens entgegnete mit einem tadelnden Blick: „Ich fürchte, von Weisheit war da wenig die Rede! Vielmehr von einem denken gegen die Vernunft, das nun tief in mir steckt, auf eine ungesunde Art, das weiß ich sehr wohl." Sie deutete ein Kopfschütteln an: „Und Sie, Sie hängen stur an einer Äußerlichkeit! Und das nicht allein meinetwegen, sondern auch noch wegen etwas, daß in Ihrer Vergangenheit liegt. Ich merke das!" Doch sie wurde schnell wieder sachlich: „Ich muß ich mir jetzt einen Fuchsbau suchen. Zum Glück kommt der Herbst, da ist ein Mantel natürlich. Den ziehe ich über und lasse die Haare darunter, dann falle ich wenigstens draußen nicht durch sie auf." Vera Jörgens kam auf ihr anderes Thema zurück: „Wie es aussieht, haben bisher nur Busch und Fischer meine Fährte gewittert. Ich fürchte, Busch hat mich gesehen. Ich wohnte im «Breidenbacher Hof» und wollte gerade zurück ins Hotel. Ein paar Schritte weiter stieg Busch beim «Parkhotel» aus einem Taxi. Wie Sie bemerken, zog ich es daraufhin vor, die Stadt vorübergehend zu verlassen. Nicht direkt wegen Busch und Fischer – aber wo Busch auftaucht, folgt bald Valtine. Fischer wäre wahrscheinlich schlau genug, die anderen abzuschütteln, aber Busch ist es nicht. Und eine offene Auseinandersetzung mit Valtine und seinen Leuten kann ich nicht wagen. Ich bin allein und eine Frau." Lukowsky sagte: „Sie sind eine Frau, aber Sie sind nicht allein!" Vera Jörgens sagte mit sanfter Stimme: „Ja, ich weiß! Bitte entschuldigen Sie! Ich bin noch nicht daran gewöhnt, daß es so ist." Ein paar lange Sekunden herrschte Schweigen.

.........

       
               
               
     

       
               
               
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